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Karl Schild
Im Alter von achtzig Jahren verstarb am 30. März 1991 in Offenbach/M. Karl
Schild, ein ehemaliges Mitglied der in der Weimarer Republik aktiven
anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter Union (FAUD). Geboren am 22. September
1910 in Mannheim, schloß sich der gelernte Mechaniker 1928 der dortigen
FAUD-Ortsgruppe an. Die baden-württembergische Stadt galt damals neben
Ludwigshafen als Hochburg des Anarcho-Syndikalismus in Südwestdeutschland. Im
Zuge breiter Verhaftungswellen nach der NS-Machtübernahme 1933 geriet auch Karl
Schild vorübergehend in sogenannte „Schutzhaft“. Danach beteiligte er sich am
anarchosyndikalistischen Widerstand gegen die Nazis. Im Frühsommer 1933
formierte sich herzu in Südwestdeutschland aus den nunmehr illegalen
FAUD-Ortsgruppen Mannheim, Ludwigshafen, Frankfurt/M., Offenbach, Darmstadt und
Wiesbaden ein zusammenhängendes Widerstandsnetz. Der Hauptteil des illegalen
Kampfes umfaßte die Herstellung und Verteilung von Druckerzeugnissen, den
gegenseitigen Informationsaustausch und vor allem die Aufrechterhaltung der
persönlichen Zusammenhänge unter den AnarchosyndikalistInnen. Neben dem
Einschmuggeln illegaler Lektüre aus dem Ausland (z.B. Die Internationale) wurden
eigene Schriften herausgegeben: so ab Sommer 1932 in Mannheim/Ludwigshafen das
hektographierte „Fanal“ sowie der „Hessische Landbote“. Maßgeblichen Anteil
hieran nahm - neben Friedrich Lösch (Ludwigshafen), Eduard Bischoff (Mannheim)
und Georg Hepp (Frankfurt/M.) - Karl Schild. Er verantwortete den Hauptteil der
in seiner Wohnung realisierten technischen Herstellung des „Fanal“, zeichnete
den Schriftkopf und schrieb die Wachsmatrizen für die Texte. Darüber hinaus
betätigte er sich als Verteiler illegaler, für Frankfurt/M., Offenbach und
Darmstadt bestimmter Druckerzeugnisse. Der informelle Zusammenhalt des in
Südwestdeutschland tätigen anarchosyndikalistischen Widerstandes gegen den
Nationalsozialismus ergab sich vor allem über unregelmäßige konspirative
Zusammenkünfte, die, die aus Gründen der Geheimhaltung zwischen Frühsommer 1933
und Ostern 1934 außerhalb der Städte im zentral gelegenen Odenwald stattfanden.
Vorbereitung und Ablauf dieser Treffen verdankten sich u. a. wiederum Karl
Schild.
Aufgrund einer Denunziation gegen die Darmstädter FAUD-Ortsgruppe gelang es der
Gestapo aber schließlich zwischen Dezember 1934 und Mai 1935, die in
Südwestdeutschland bestehende illegale Organisation der FAUD aufzudecken und,
nach Verhaftungen in Ludwigshafen, Mannheim, Darmstadt, Frankfurt/M. und
Offenbach zahlreiche AnarchosyndikalistInnen vor die NS-Gerichtsbarkeit zu
bringen. Karl Schild wurde im Januar 1935 verhaftet. Der nach zwanzigmonatiger
Untersuchungshaft vom 26. bis 28. August 1936 gegen ihn und sechs weitere
Angeklagte - Anni Zerr, Georg Hepp, Friedrich Lösch, Eduard Bischoff, Theodor
Müller und Helmut Moeßner - angestrengte Prozeß in Darmstadt vor dem 2. Senat
des Volksgerichtshofs, bedeutete das definitive Ende der 1933/34 tätigen,
illegalen FAUD in Südwestdeutschland, südlich der Main-Linie.
Zugleich wies dieser Prozeß eine Besonderheit auf: Er war die erste juristische
Verhandlung des Volksgerichtshofs gegen die FAUD und damit gegen die
anarchosyndikalistische Bewegung überhaupt. Die Anklage gegen die sieben
AnarchosyndikalistInnen lautete auf Vorbereitung zum Hochverrat. Allerdings
bestand für die Angeklagten ein geringer Vorteil, der sie letztendlich vor der
Hinrichtung bewahrte: Da der Volksgerichtshof zum erstenmal außerhalb Berlins
prozessierte, musste sich die NS-Justiz erst noch profilieren und konnte noch
nicht so terroristisch auftreten wie später Freislers berüchtigter Senat in
Berlin.
Trotzdem verhängte das Gericht drakonische Haftstrafen (mit anschließender
Polizeiaufsicht): Friedrich Lösch (7 Jahre), Georg Hepp (6 Jahre), Karl Schild
(4 Jahre 6 Monate), Eduard Bischoff (3 Jahre 9 Monate), Theodor Müller (3 Jahre
6 Monate), Anni Zerr (2 Jahre). In ihrer Urteilsbegründung bezogen sich die
Richter auf einige illegale Zusammenkünfte 1933/34, auf die Herstellung des
„Fanal“ sowie das Einschmuggeln der „Internationale“. Als einziger
freigesprochen wurde der Kronzeuge Helmuth Moeßner.
Karl Schild litt in den folgenden Jahren eine Odyssee durch mehrere
NS-Gefängnisse: Zuchthaus Bruchsal, Zuchthaus Ludwigsburg bei Stuttgart; danach
Einweisung in das berüchtigte Strafgefangenenlager II. Aschendorfer Moor im
Emsland. Anfang 1943 beorderten ihn die Nazis in das Bewährungsbataillon 999, wo
er bis 1945 in Griechenland zwangsverpflichtet blieb. Während dieser Zeit wirkte
er erneut im Widerstand mit und hielt enge Verbindungen zur griechischen
Befreiungsbewegung.
Nach seiner Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft Ende 1946 ließ sich
Karl Schild in Offenbach nieder. Dort engagierte er sich, nunmehr Kommunist,
insgesamt 35 Jahre lang als Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten, als Stadtverordneter der KPD (bis 1956),
als Redakteur der antifaschistischen Wochenzeitung „die Tat“ (1960-1970) und
darüber hinaus seit 1949 als Interessenvertreter der Opfer des
Nationalsozialismus gegenüber den Entschädigungsbehörden.
Siegbert Wolf, Frankfurt/M.
Aus: Schwarzer Faden, Heft 3 (1991)
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