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Helmut Rüdiger

Diego Abad de Santillan

Der spanische Anarchist und Syndikalist wirkte in den 20- er Jahren in Argentinien, wo er vor allem als Redakteur der Tageszeitung La Protesta in Buenos Aires bekannt wurde. Sein Werk war das Suplemo, die literarische und theoretische Beilage des Blattes, eine geistig sehr hochstehende Publikation. Nach dem Sturze der Monarchie reiste Santillan nach Spanien zurück, wo er mehrere Jahre zu den aktivsten Militanten der anarchistischen Bewegung und der syndikalistischen Confederacion nacional des Trabajo gehörte. Er arbeitete für die Zeitung Tierra y Libertad (Land und Freiheit) und war verlegerisch tätig. Bücher herauszugeben ist stets seine größte Leidenschaft gewesen, außerdem aber hat Santillan die spanische freiheitliche Literatur mit einer langen Reihe eigener Arbeiten bereichert.

Als es der antifaschistischen Volksbewegungen im Juli 1936 gelungen war, in großen Teilen Spaniens die verfassungsbrüchigen Generale zu besiegen, wurde Santillan Vorsitzender des Antifaschistischen Milizkomitees von Katalonien. Diese Körperschaft war von den katalonischen Syndikalisten gegründet worden, um die Entartung der Volksbewegung in diktatorischer Richtung zu verhindern und der sozialistischen Umwälzung, die gleichzeitig eingetreten war, eine demokratische Entwicklung zu sichern.

Santillan lebt heute in Argentinien, wo er in harter und aufopfernder Arbeit einen neuen freiheitlichen Verlag aufgebaut hat, der Werke Proudhons, Rockers, Rossellis, Godwins und Bücher zahlreicher anderer Verfasser herausgebracht und damit den spanisch sprechenden Völkern und der spanischen Emigration wertvollste geistige Anregung vermittelt hat.

Vor allem aber hat Santillan in den zehn Jahren nach dem Zusammenbruch der spanischen Republik geistig gearbeitet, um Grundgedanken eines zeitgemäßen freiheitlichen Sozialismus vorzulegen, der an wesentliche Ideen eines vor allem an Proudhon geschulten sozialistischen Föderalismus anknüpft und darauf zielt, den freiheitlichen Sozialismus, vor allem den Syndikalismus, von seiner unnatürlichen Vermischung mit Teilen eines längst sinnlos gewordenen Marxismus zu befreien. Santillans Arbeit gilt einem neuen freiheitlichen Humanismus, der jedoch auf die sichere Grundlage eines realen Kampfes für die Sache der arbeitenden Massen gebaut ist.

Der klassische spanische Anarchismus und Syndikalismus, auf dem Santillan fußt und auf dessen frühere Entwicklung er sich hin und wieder in seinem Aufsatz bezieht, war und ist eine Volksbewegung von unerhörter kämpferischer Kraft und einem idealistischen Gehalt, der stark von der Mentalität der übrigen europäischen Arbeiterbewegung absticht. Die Idee der Freiheit und die Vorstellung von der Würde des Menschen sind stets die Triebkräfte dieser vielleicht dem Fremdling oft seltsam und unverständlich erscheinenden mächtigen Volksbewegung gewesen, in der das Herz Spaniens schlägt.

Santillan, der dieser Bewegung sein Leben gewidmet, für sie gearbeitet, für sie Gefangenschaft und Verfolgung erlitten hat, bekennt sich zu ihr und will ihre großen grundlegenden Werte retten, zugleich aber Irrtümer, Halbheiten, Unklarheiten bekämpfen und einem kommenden spanischen Sozialismus neue Wege weisen.

Santillan ist aber nicht nur in Spanien verwurzelt, sondern besitzt auch internationale Erfahrungen, ein umfassendes historisches Wissen und eine reiche geistige Kultur. Seine Stimme verdient auch außerhalb des spanischen Sprachkreises gehört zu werden. Wir geben seinen Aufsatz auch deshalb wieder, weil er über das Wesen und die Probleme des spanischen Krieges von 1936, die leider in weiten Kreisen noch unbekannt sind, Wichtiges und Anregendes aussagt.

H(elmut) R(üdiger)

aus: „Die freie Gesellschaft“, 1. Jg. (1950), Nr. 4.

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