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Martin Veith
Georg Elser - Arbeiter und antifaschistischer
Widerstandskämpfer
Am 8. November 1999 jährt sich zum 60 mal der Anschlag auf Hitler im Münchner
Bürgerbräukeller. Durch einen dummen Zufall entging der "Führer" seinem
verdienten Tod. Von den Nazis missbraucht und diffamiert, von Mithäftlingen
verleumdet und der konservativen Geschichtsschreibung kaum beachtet, gebührt
gerade dem Schreiner Georg Elser die antifaschistische Anerkennung für sein
Handeln.
Johann Georg Elser wurde am 4. Januar 1903 im schwäbischen Hermaringen als
uneheliches Kind geboren. Seine Eltern besaßen in Königsbronn ein kleines
Holzgeschäft und Bauernhaus in dem Georg Elser zusammen mit vier jüngeren
Geschwistern aufwuchs. Nach der Schule absolvierte er 1917 eine Ausbildung zum
Eisendreher im Hüttenwerk in Königsbronn, musste jedoch aufgrund
gesundheitlicher Probleme den Beruf wechseln und erlernte ab 1919 den Beruf des
Schreiners. Die Gesellenprüfung 1922 bestand er als Bester seines Jahrgangs.
Danach folgte eine Reihe neuer Beschäftigungsverhältnisse, da Elser, als
Mitglied der Holzarbeiter-Gewerkschaft seine Rechte kannte, und sich nicht unter
Wert (in kapitalistischen Maßstäben) verkaufte. Auf diese Weise führte ihn sein
Weg nach Tettnang, Aalen, Heidenheim, Friedrichshafen, Konstanz wo er 1928 in
den "Roten Frontkämpfer Bund" (RFB) eintrat - ohne jemals Mitglied der KPD zu
werden - und schliesslich in die Schweiz. Dort blieb er bis 1929, bis das
Unternehmen sämtliche Arbeiter auf die Strasse schickte. 1930 arbeitete er in
einer Uhrenfabrik in Merseburg bis die Wirtschaftskrise von 1932 auch dort
zahlreiche Arbeitsplätze vernichtete. Elser kehrte nach Königsbronn zurueck, wo
er sich im elterlichen Haus eine kleine Werkstatt einrichtete. Überliefert ist
seine Berufsehre. So liess sich Elser keinerlei Belehrungen seitens seiner
Vorgesetzten gefallen, wenn diese seines Erachtens weniger handwerkliche
Fähigkeiten besaßen als er, bzw. kündigte Arbeitsstellen wenn er sich ungerecht
entlohnt fühlte. Ab Dezember 1936 - 3 Jahre nach der Machtübergabe an Hitler und
die Nationalsozialisten - arbeitete er in der Armaturenfabrik Waaldenmaier in
Heidenheim, wo Pulverplatten und Geschosszünder hergestellt wurden.
Die Vorbereitung
Nach dem es in der NS-Propaganda und in den Reden Hitlers immer offensichtlicher
wurde, das die Nazis einen neuen Krieg vorbereiteten, fasste Elser 1938 den
Entschluss Hitler zu töten, um den drohenden 2. Weltkrieg zu verhindern. Am 8.
November 1938 fuhr Elser nach München, um sich dort die Nazi und SA-Feier zum
Hitler-Putsch von 1932 im Bürgerbräukeller anzusehen und sich die Räumlichkeiten
einzuprägen. Er plante Hitler bei den Feiern 1939 in die Luft zu sprengen. Dazu
suchte er sich die Säule hinter dem Rednerpult aus und schaffte aus der
Armaturenfabrik in den folgenden Monaten 250 gepresste Pulverstücke hinaus. 1939
kündigte er seine Arbeit um sich ganz auf sein Vorhaben konzentrieren zu können.
Ab April fuhr er noch mehrere Male nach München um sich die Masse der Säule zu
notieren und eine Fotografie von ihr anzufertigen. Zurück in Königsbronn
arbeitete er als Hilfsarbeiter in einem Steinbruch wo er sich einerseits
Kenntnisse im Sprengen und andererseits Sprengpatronen und Sprengkapseln
aneignete. Nach dem er seine Bombe fertig gebaut hatte, mietete er sich am 5.
August 1939 in München ein Zimmer. Zwischen 30 und 35 Nächte verbrachte Elser
damit, seine Maschine in die Säule einzubauen. Dazu liess er sich Abends im Saal
einschliessen um die Säule auszuhöhlen bis er sie am 6.November scharf machte.
Misslungen
Die Bombe geht am 8. November 1939 um 21.20 Uhr in die Luft. Sieben Nazis
sterben, 63 werden verletzt; doch Hitler hatte aufgrund schlechten Wetters den
Bürgerbräukeller vorzeitig verlassen, um mit der Bahn - und nicht wie geplant
dem Flugzeug - zurück nach Berlin zu kommen. Georg Elser war bereits seit dem
Vormittag mit der Bahn auf dem Weg in die Schweiz. An der Grenze angekommen
wurde Elser bereits um 20.45 von Grenzbeamten gestellt und festgenommen da er
Listen über Rüstungsfabriken und ein Abzeichen des RFB mit sich führte. Zuerst
der Fahnenflucht verdächtigt wurde nach der Meldung vom Attentat auf Hitler
schnell klar das Elser darin verwickelt sein musste, zumal er eine Ansichtskarte
des Buergerbrauekellers bei sich hatte. Zurück in München wurde er stundenlang
von einer Gestapo-Sonderkommission verhört, bis Georg Elser schliesslich zu
einem Geständnis gezwungen wurde.
Benutzt und Diffamiert
Hitler und SS-Führer Heinrich Himmler können sich nicht vorstellen das ein
Mensch alleine die Tat begangen haben soll. Hitler schätzte Himmler zu Folge
Elser folgendermaßen ein: "Sehen sie sich einmal die Physiognomie an, die Augen,
die intelligenten Gesichtszüge. Das ist kein Blender, kein Schwätzer. Der weiss,
was er will. Stellen sie fest, welche politischen Kreise hinter ihm stehen. Er
ist vielleicht ein Einzelgänger; aber ohne 'Weltanschauung' ist der nicht".
Elser wird nach Berlin gebracht und dort weiter von der Gestapo gefoltert und
verhört. Politisches Kalkül der Gestapo auf Anweisung Hitlers ist es, ihn zu
einem Geständnis zu bewegen, demzufolge Elser "ausländische Auftraggeber und
Hintermänner" habe. In den gleichgeschalteten - von den Nazis kontrollierten
Zeitungen - wird der Abtrünnige, im Exil lebende Nationalsozialist und
Hitler-Gegner Otto Strasser, sowie zwei britische Geheimdienstagenten als
Drahtzieher dargestellt.
Elser kommt in das KZ Sachsenhausen wo er gezwungen wird, seine Bombe nochmals
nachzubauen. Um ihm nach dem von den Nazis geplanten "Endsieg" als britischen
Agent einen Schauprozess zu liefern, wird Elser nicht vor den "Volksgerichtshof"
gebracht. Für den Schauprozess soll Elser als "Kronzeuge" herhalten. Im KZ
Sachsenhausen saß Elser mit Leon Blum und dem evangelischen Pastor Niemoeller
ein. Dort wurde von Mithäftlingen das Gerücht in Umlauf gebracht, das dieser für
40 000 Schweizer Franken von der Gestapo im Auftrag Hitlers gekauft worden wäre,
um sieben "alte Kämpfer", die dem "Führer" unliebsam geworden wären,
umzubringen. Hitler - als Überlebender - hätte so der Welt beweisen können, dass
über "ihm die Hand der Vorsehung walte".
Georg Elser wird am 9. April 1945 im KZ Dachau ermordet.
Bis heute haben sich die Gerüchte gehalten, das Elser "in fremden Auftrag
handelte". Damit wird das Leben, das Wirken, und die antifaschistische Tat Georg
Elsers in den Dreck gezogen. Während in Schulbüchern und der öffentlichen
Diskussion gerade der "Widerstand" des Bürgertums, des Adels und des
nationalistischen Militärs - speziell das Hitler-Attentat vom 20.Juli - als
Beispielhaft dargestellt wird, soll uns glauben gemacht werden, Arbeiterinnen
und Arbeiter seien zu dumm dazu, bzw. hätten kaum Widerstand geleistet.
Umso mehr ein Anlass auf den Arbeiter und Widerstandskämpfer Georg Elser
hinzuweisen, seinen Kampf nicht zu vergessen und seiner Tat zu Gedenken.
aus Direkte Aktion Nr. 131 Januar/Februar 1999
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