Home
Suche
auf Syfo
/Search Syfo Pages
Other Languages/
Otras Lenguas
Kontakt
Impressum
| |
H. Döhring/ M. Veith:
Syndikalismus nach 1945 - Teil 2
Trotz der Unterbrechung syndikalistischer Entwicklung in Deutschland zwischen
1933 und 1945 durch die faschistische Diktatur des Nationalsozialismus kann hier
eine einheitliche und relativ gleichmäßige Linie konstatiert werden, sowohl in
der Haltung der Anarcho-Syndikalisten in der Tarifvertrags- als auch in der
Betriebsrätefrage. Die Mitglieder der FFS (Föderation freiheitlicher
Sozialisten) knüpften in den vierziger Jahren unmittelbar an ihre mehrheitlich
bejahenden Überzeugungen der dreißiger Jahre an, ohne dabei ihr Ideal einer
freien Gesellschaft auf föderalistisch- anarchistischer Grundlage aufzugeben.
Der Unterschied in den Verknüpfungen der von van der Linden und Thorpe genannten
Möglichkeiten eins mit zwei sowie der Möglichkeiten eins mit drei ist hier rein
formeller Art, nämlich die Aufgabe der Reorganisation der alten FAUD zugunsten
des Übertritts der bedeutendsten ehemaligen FAUD-Mitglieder in andere
(reformistische) Organisationen unter Wahrung der Prinzipien auf ideeller Ebene
in der FFS: „(Es) kann davon ausgegangen werden, daß sich die Mehrzahl der
gewerkschaftlich engagierten FFS-ler damit abgefunden hatte, nur in den
‚Zentralgewerkschaften’ zu arbeiten; die FFS dagegen aber als ihre eigentliche
‚politische’ (anarchosyndikalistische) ‚Ideenorganisation’ anzusehen." Zugleich
blieb es das langfristige Ziel der Anarcho-Syndikalisten unter den auf ihrem
Wege noch zu schaffenden besseren eigenen Voraussetzungen (die FFS - als
Ideenorganisation - faßte lediglich etwa zwischen 150 und 400 Menschen in 30
Orten - ganz ähnlich wie die FAU heute) und der Veränderung der
gesellschaftspolitischen Umstände mittels eigenem tatkräftig-überzeugendem
Einsatz in den Kommunen (auch Kommunalparlamenten) und lokalen
Gewerkschaftsverbänden ein erneutes Gegengewicht zu den Zentralgewerkschaften
und Parteien aufzubauen: „Unser Ziel muß sein, unsere Ideengänge in weitestem
Umfange in den bestehenden Gewerkschaften zu verbreiten... Sollten sich aber
örtlich oder bezirklich Situationen ergeben, die eine Gründung syndikalistischer
Gewerkschaften notwendig erscheinen lassen, dann ist es erforderlich, daß unsere
Ortsföderationen ihre Pflicht erfüllen..." Die FFS sei zunächst ein „Notbehelf,
der sobald wie möglich dem vollendeteren Organisationsgefüge der föderierten
Produktions-Syndikate aller Richtungen und Arbeitsbörsen weichen muß". In dieser
Hinsicht spekulierten FFS-Aktive damit, daß sich ganze Belegschaften, nicht
zuletzt aufgrund betrieblicher anarcho-syndikalistischer Überzeugungsarbeit
geschlossen von den Zentralgewerkschaften lösen und sich anarcho-syndikalistisch
organisieren würden.
Die FFS konnte zwar ihrem Anspruch auf Wahrung der Ideen des Anarchismus und
Syndikalismus gerecht werden, zugleich gelang es ihr weder, sie an die jüngeren
Generationen, noch diese ihrer eigenen strategischen und primären Zielsetzung
nach in den reformistischen Organisationen zu verbreiten, so daß sich die
letzten einzelnen ehemaligen FFS-Gruppen in den sechziger Jahren altersbedingt
auflösten.
Zwanzig Jahre FAU-IAA seit 1977
Im Jahre 1977 wurde die FAU zunächst als „Initiative Freie Arbeiter Union" (I-FAU)
wiedergegründet. Sie befand sich jedoch im gleichen Dilemma, wie die beiden
Vorläuferorganisationen FAUD und FFS. Mehrheitlich wurde und wird die
Einflußnahme über Betriebsräte und Tarifverträge kategorisch abgelehnt. Ein
revolutionärer Pragmatismus, wie er in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre
von der FAUD und nach 1945 von der FFS praktiziert worden ist, unterliegt hier
gut gehüteten basisdemokratischen Prinzipien. Die Rolle und Bedeutung der
FAU-IAA beschrieb Wolfgang Haug 1997 im „Schwarzen Faden" (Nr. 61)
folgendermaßen: „Sie (die FAU) wollte in erster Linie eine
Gewerkschaftsorganisation sein, aber als Gewerkschaftsorganisation konnte sie
ihren Mitgliedern bislang nichts anbieten. Es blieb bei einer Ideenorganisation
(...) Eine Ideenorganisation, die die verschiedenen Strömungen des Anarchismus
aufnimmt und ihnen einen organisatorischen und politischen Rahmen verpasst,
wollte die FAU nie sein, obwohl ihr historisch genau diese Rolle zufiel, weil es
keinen anderen ernstzunehmenden anarchistischen Organisationszusammenhang gab.
(...) Gewerkschaftsarbeit (Betriebsarbeit, ohne wirkliche Verankerung in den
Betrieben) oder Organisierung anarchistisch gesinnter Individuen und damit
Ausrichtung der politischen Arbeit an den Sozialen Bewegungen. In dieser
Gespaltenheit haben sich x- GenossInnen folgenlos aufgerieben."
Ausblick: Die FAU-IAA seit 1998
Stellten FFS-Mitglieder im Jahre 1949 noch die Behauptung auf, daß „in
Deutschland die Arbeiterbewegung um 100 Jahre zurückgeschlagen (sei), so lassen
sich heute weitere 54 Jahre dazuaddieren. Noch immer gilt der Satz, „daß wir
wieder von vorne anfangen müssen".
Die aktuell anhaltenden kapitalistischen Krisenerscheinungen und der darauf
folgende rigorose Abbau des „Sozialstaates" bei gleichzeitigem Versagen der
sozialpartnerschaftlichen „Gewerkschaften" bieten jedoch, wie bereits aufgezeigt
worden ist, die Rahmenbedingungen für eine Renaissance anarcho-syndikalistischer
Theorie und Praxis, welche weniger von dem Spannungsverhältnis zwischen Idee und
reformistischer Praxis geprägt sei wird. Die eingangs angeführten drei
Entwicklungsmöglichkeiten des Syndikalismus können schon bald der Vergangenheit
angehören, wenn der Anarcho-Syndikalismus nicht nur als eine Ideengemeinschaft,
sondern viel mehr als bisher auch als eine praktikable Interessensgemeinschaft
wahrgenommen werden wird. Seit 1998 ist ganz in diesem Sinne ein Trend hin zu
praktischer syndikalistischer Tätigkeit zu beobachten. Löhne werden
eingetrieben, den skandalösen Arbeitsbedingungen bei der „Lebenshilfe" zum Teil
Einhalt geboten, Lernende am „Institut für Erwachsenenbildung" Bremen werden
nach zunächst erfolgter Absage doch noch zugelassen - haben jetzt Abitur, und
auch in den boomenden Sektoren der prekarisierten-, sowie der Zwangsarbeit sind
die Syndikalisten der FAU präsent. Die FAU gewinnt an syndikalistischem Profil.
Was ist zu tun?
Anmerkung: Die Zitate stammen, wenn nichts anderes angegeben ist, aus Hans
Jürgen Degen: Anarchismus in Deutschland 1945 - 1960. Die Föderation
Freiheitlicher Sozialisten, Ulm 2002
Aus: FAU-Bremen (Hrsg.): Syndikalismus – Geschichte und Perspektiven, Bremen
2005
| |
Seit_2007
Since 2007
|