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Augustin Souchy 28. Aug. 1892 – 1. Jan. 1984

„Mein Vater war Handwerksmeister, Drechsler; er hatte einen eigenen Betrieb und Laden – Proletarischer Kleinbürger, oder wie nennt man das? In Berlin machte ich eine Ausbildung als chemischer Laborant. Abends habe ich in den Bibliotheken die ganze Literatur gelesen. Dann ging ich nach Wien und wurde dort, als der 1. Weltkrieg ausbrach, verhaftet. Denn ich gehörte der Gruppe um die Befreiung an, die ihren Ursprung in ‚Erkenntnis und Befreiung’ von Pierre Ramus hat. Wir waren vor allem Anti-Militaristen. Ich wurde an einen anderen gefesselt und bekam einen Steckbrief angeheftet: Vorsicht Anarchist!“

A. Souchy in einem Interview im Schwarzen Faden

Augustin Souchy ist nun nicht mehr unter uns. Er verstarb nach einem Schwächeanfall am Neujahrstag 1984 in München im hohen Alter von 91 Jahren.

Er war für viele von uns Jüngeren eine erste Brücke, der Einstieg in eine andere, fast unbekannte Geschichte sozialer Bewegungen und Kämpfe. Souchy hat diese Geschichte erlebt, er hat sie gelebt. Augustin Souchys Tod bedeutet für die libertäre Gemeinschaft in Deutschland, ich möchte sagen: in der Welt, einen schweren Verlust. Er hinterlässt eine in den letzten Jahren wachsende Zahl junger Leser seiner Bücher und Besucher seiner Vorträge.

Als sein großartiger Bericht über seine Erlebnisse und Erfahrungen in der Spanischen Revolution in der Bundesrepublik 1955 erstmals erschienen, war von den wenigen Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten, die spanische und deutsche Gefängnisse, KZs, Krieg und Faschismus überlebt hatten, natürlich schon der Versuch übernommen worden, alte und neue Kontakte in Deutschland herzustellen. Es entstanden Gruppen, und auch kleine Verlage begannen wieder mit der Arbeit. Aber die Menschen in beiden Teilen Deutschlands hatten jetzt andere Sorgen. Auch die Anarchisten. Viele wurden gerade erneut interniert oder mußten als Geheimbund arbeiten – so in der neu gegründeten DDR.

So fand das Buch leider kaum Beachtung, die über das libertäre Lager hinaus ging und die es zweifellos verdient hatte. Aber 15 Jahre später wurde „Nacht über Spanien“ neu herausgegeben. Diesmal verlangte eine neue, junge Generation geradezu diese Herausgabe, und ich meine, wir alle haben dieses Buch förmlich verschlungen. Viele Schriften Augustin Souchys sind in der Zwischenzeit verlegt worden und fanden ihre Leser.

Souchy ist nie untätig gewesen. Das bezeugen seine Reisen und Erfahrungen, die er macht. Bis ins letzte Lebensjahr war er aktiv. Bis zuletzt stieg er in einen Zug, um auf Vortragsreisen und Veranstaltungen seinen (zumeist jungen) Zuhörern eben diese Erfahrungen und Erkenntnisse zu vermitteln.

Souchy war aber auch den bürgerlichen Medien und Politikern nicht unbekannt. Willy Brandt machte Souchys Bekanntschaft im Barcelona der Revolution, wo sich der junge Linkssozialist Brandt von den Ergebnissen der Sozialen Revolution überzeugen konnte.

Als nun in den 70er Jahren die große Terroristenjagd begann und überall auf Steckbriefen „Bewaffnete Anarchisten“ gesucht wurden, schrieb Augustin Souchy an Brandt einen Brief, in dem er seine Enttäuschung über die Rundunkansprache des damaligen Bundeskanzlers ausdrückte. Aber ebenso eindeutig distanzierte sich Souchy von jenen „wildgewordenen, sich zu einem konfusen Neomarxismus und Maoismus bekennenden Bürgersöhnen und Bürgertöchtern“ und wies statt dessen auf die anarchistischen Prinzipien Proudhons hin, deren Vorstellung politischer Autonomie und freier Föderation bei gleichzeitiger Kooperation der selbständigen Kollektive er als Alternative zu Privatkapitalismus und Zentralverwaltungswirtschaft ansah. In diesem Brief erinnerte Souchy Brandt auch an das gemeinsame Gespräch im Hause des Gewerkschaftsbundes CNT während der Revolution. Besagter Brief ist auf Brandt nicht ohne Eindruck geblieben, was man dem entsprechenden Kapitel von Brandts politischen Erinnerungen entnehmen kann.

Den 90. Geburtstag Souchys nutzen auch die Medien – die Kultursendung Aspekte – zu einem Interview. Hier, wie auch im Spiegel-Interview im April 1983 nutzte Souchy die Gelegenheit, den Menschen den Inhalt seines libertären Humanismus näher zu bringen und Idee und Geschichte des Anarchismus vor der Welt wieder zurecht zu rücken. Nach all den Lügen und Verfälschungen, nicht nur in der BRD, sicher keine leichte Sache, wie wir selber immer wieder erfahren.

Wir gedenken einem Genossen und großen Humanisten, der sich nie den Göttern und Mächten beugte.

U. Heitsch

Aus: „Direkte Aktion“, Nr. 43 (1984)

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