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Rezension: Fußball und Klassenkampf 

Deutschsprachige Publikationen, die sich mit dem Fußball und seiner Rolle und Funktion im Kapitalismus auseinandersetzen und die von aktiven Fußballfans und Stadion-Besuchern geschrieben sind, gibt es leider nur wenige. Bereits zur Fußball-Europameisterschaft der Männer 2008 erschien die hier vorgestellte Broschüre zum Thema Fußball und Klassenkampf der trotzkistischen Revolutionär-Sozialistischen Organisation aus Wien. Anders als so vielen trotzkistischen Publikationen ist dieser zu Eigen, das die Verfasser wissen wovon sie sprechen und die Texte dabei weder langatmig noch trocken sind. 

In sechs Aufsätzen gehen die Autoren sowohl der Entstehung des Fußballs als Spiel „von Bauernlümmeln und Proleten“ nach und  beschreiben den Wandel der Fußballkultur durch das zunehmende Vermarktungs- und Verwertungsinteresse des Kapitalismus bis in die heutige Zeit. Kommerzialisierung des Spiels und Disziplinierung der Fußballfans gehen dabei Hand in Hand.  Anschaulich wird dargestellt wie aus einem Spiel der arbeitenden Klasse nach und nach die „Event“-Antikultur Einzug gehalten hat, wie Stehplätze in den Stadien abgeschafft wurden, um zahlungskräftigere Kundschaft mit Sitzplätzen zu ködern und dadurch die soziale Struktur in den Stadien verändert wurde. Augenscheinlich z.B. an den unübersehbaren Werbebanden ersichtlich, während gleichzeitig Transparente von Fans numerisch beschränkt werden und auch oftmals erst nach einer politischen Überprüfung der Aufschrift in´s Stadion gelassen werden. „Das Ziel der Bourgeoisie ist die totale kulturelle Hegemonie, die Eroberung und Auflösung der Reste von proletarischem Milieu in der Gesellschaft, die sich noch nicht völlig kontrolliert und in dem sich das „Freizeitverhalten“ noch nicht ausreichend ihren Vorstellungen angepasst hat.“ schreibt Erich Wegner zutreffend.  

Schwerpunktmäßig finden sich Beispiele aus österreichischen Stadien und von österreichischen Fan-Gruppen, die sich dieser Kommerzialisierung und Kontrolle widersetzen. Besonders hervorzuheben sind dabei die Aktionen von Fans von Rapid Wien und Wacker Innsbruck, die sich klar gegen das Kommerzspektakel der Europameisterschaft ausgesprochen hatten. Beim Spiel Österreich-Schottland zogen sie so ein unübersehbares Riesentransparent mit der Aufschrift „Scheiss EM“ über die Fankurve. Durch Sprechchöre wurde die Ablehnung des Spektakels noch zusätzlich unterstrichen und führte in der Folge zu einer nationalistischen Hetzkampagne gegen die Fans von Rapid Wien durch Medien, Vereinsführung und Politik, die diese als „Vaterlandsverräter“ brandmarkten und lautstark eine strengere Zensur von Transparenten einforderten. 

Analytisch dargestellt werden die Rolle und das Vorgehen der Staatsmacht durch die Polizei, welche an den oftmals durch die Medien verteufelten Fußballfans regelrechte Trainingseinheiten zur Aufstandsbekämpfung durchführt. In der Broschüre finden sich einige Beispiele dazu; eines auch aus der Schweiz. Die Autoren vollführen dabei den Schulterschluss mit der revolutionären Bewegung und der politischen Linken. Herausgearbeitet werden die Gemeinsamkeiten zwischen (aktiven) Fußballfans und z.B. Demonstranten, die allesamt immer wieder mit Angriffen und Verleumdungskampagnen des Staates und der bürgerlichen Medien konfrontiert sind. Die gegebenen Analysen und Schlussfolgerungen sind treffend. Positiv hervorzuheben ist auch die Forderung nach Überwindung der sektiererhaften Abgrenzung gegenüber Fans anderer Vereine, die man nicht mag, und die doch mit denselben Problemen konfrontiert sind und sich gegen diese zur Wehr setzen. Sei es Kommerzialisierung, Stadionverbote oder Polizeigewalt. 

Alle Probleme die es in der Gesellschaft gibt, finden sich auch beim Fußball wieder. Der Rassismus, das Mackertum, Ausgrenzung. Das wird thematisiert und weder beschönigt noch verklärt. Stattdessen wird die Überwindung dieser Einstellungen eingefordert und Initiative verlangt. 

Auch wenn einige der in der Broschüre versammelten Artikel bereits etwas älter sind, haben sie nur wenig an Aktualität eingebüßt. Und so ist es einzig der Überblick über den italienischen Fußball und seine Fan-Szene, der leider etwas oberflächlich bleibt. Dabei wäre es von großem Interesse gewesen herauszufinden, weshalb die einst eher linke Ultra-Szene des AS Rom heute genauso von Neofaschisten dominiert wird, wie die des Stadtrivalen und Mussolini-Clubs Lazio. 

Das viele „Linke“ noch immer grundsätzliche Probleme mit dem Fußball haben (a la „22 Idioten rennen einem Ball hinterher“) wird auch angesprochen. In einem abschließenden Resümee machen die Verfasser der empfehlenswerten Broschüre deutlich: „Klar ist, dass das Fußballstadion auch weiterhin nicht unbedingt ein Hort der Fortschrittlichkeit sein wird, sondern vielmehr ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt. Es liegt an uns allen, diese Gesellschaft zu verändern! Fortschrittlich denkende Menschen – auch solche, die mit Fussball nichts am Hut haben – sollten also nicht auf Propaganda der bürgerlichen Medien hereinfallen, sondern begreifen, dass Repression und Angriffe auf soziale Freiräume, zum Zwecke der profitbringenden Umgestaltung der Gesellschaft, letztendlich uns alle treffen können und auch werden. Es sei denn, wir wehren uns.“ 

Martin Veith 

Fussball & Klassenkampf, Herausgegeben von der RSO, 60 Seiten A5 mit Abbildungen, ISSN: 1028-2211, 2.50 EUR. Zu Beziehen über www.sozialismus.net

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