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Pierre Ramus, Franz Barwich
Die Irrlehre und Wissenschaftslosigkeit des
Marxismus
Volkstümlich bearbeitet nach dem Buch gleichen Namens unseres Geistesfreundes
Pierre Ramus, Wien
I. Marx als Reaktionär.
Die Sozialdemokratie steht auf dem Boden der Lehren von Marx und bezeichnet
stets ihre Anschauungen als die einzig richtigen, ihre Theorie als den
wissenschaftlichen Sozialismus. Nun hat es mit dem Begriff "Wissenschaft" eine
eigene Bewandtnis. Wir können oft sehen, daß vieles, was von einer
wissenschaftlichen Richtung als neue Erkenntnis ausgegeben wird, in kurzer Zeit
wieder durch eine andere Erklärung verdrängt wird, wir brauchen bloß an die
verschiedenen Theorien über das Erdinnere, über die Entstehung der Weltkörper,
über die Gesetze der Vererbung u. a. denken. Im Grunde genommen können nur
einige eng begrenzte Gebiete der exakten Forschung in der Astronomie, der
Mathematik, der Physik und Chemie, sowie einige allgemeine sogenannte
Naturgesetze als Wissenschaft bezeichnet werden. Es ist aber weiter nichts wie
eine eitle Anmaßung, Untersuchungen über das gesellschaftliche Leben der
Menschen als eine Wissenschaft zu bezeichnen, besonders, wenn dies in rein
abstrakter Form geschieht, wie es Marx getan hat. Die folgenden Ausführungen
werden den Beweis dafür erbringen, daß alle Lehren von Marx nicht bloß
unwissenschaftlich sondern sogar falsch sind. Es gibt nur einen Maßstab für die
Erkenntnis der Wahrheit, das ist unsere Logik, d. h. wir dürfen nur soweit etwas
als wahr anerkennen, wie wir in dem Sein oder Geschehen Ursache und Wirkung
feststellen können. Von dem Standpunkt aus könnte man vielmehr die
Weltanschauung des Syndikalismus, die sich u. a. auf den Lehren von Bakunin und
Kropotkin aufbaut, als eine wissenschaftliche bezeichnen, weil diese überall
bestrebt ist, Ursache und Wirkung zu ergründen und möglichst viel vom wirklichen
Leben zu wissen. Wir müssen aber diese wissenschaftliche Bezeichnung trotzdem
ablehnen, weil wir der Ansicht sind, daß es im gesellschaftlichen Leben keine
zwangläufig e Entwicklung von Ursache und Wirkung gibt, da beides stetig
beeinflußt wird einerseits von dem geistigen Wollen und Können der einzelnen
Menschen, andererseits dieses wieder von den gesellschaftlichen Verhältnissen.
Aber keine Wirkung ohne Ursache. So ist auch der Zusammenbruch der
Sozialdemokratie am 1. August 1914 kein Zufall, nicht etwa auf das Versagen von
einzelnen Personen zurückzuführen, sondern die Wirkung von dem Inhalt des
Marxismus, dem Wesen der Sozialdemokratie. Es ist zwar unzweifelhaft, daß die an
der Spitze der Sozialdemokratie stehenden Personen weder in ihren ethischen
Charaktereigenschaften noch in ihrem Vermögen an Wissen echtes Freiheitsgefühl
und Liebe zur Sache des Volkes empfinden. Sie sind Politiker, und das sind immer
Menschen, die dem Ideallosen Eigennutz auf Kosten der Volksinteressen fronen.
Menschen, die in der Betörung des Volkes ihren Erwerb finden.
Es haben aber nicht bloß die Führer versagt, sondern auch die Massen, die
Geführten. Es muß auch anerkannt werden, daß nicht alle Verbrechen bewußt
begangen sind, sondern daß die meisten Anhänger der Sozialdemokratie in gutem
Glauben gehandelt haben. Daß aber alle reaktionär handelten, liegt an den
Prinzipien des Marxismus:
1.den falschen Theorien vom Staatssozialismus und Staatsdiktatur,
2.an den verfehlten Methoden der parlamentarischen Politik und des Zentralismus,
3.an der sinnlosen Taktik der bürgerlichen Demokratie und der militärischen
Disziplin.
Es wäre verkehrt, anzunehmen, die Sozialdemokratie wird allmählich von selbst
verschwinden. Sie wird solange sein, wie es Kapitalismus geben wird. Weil,
solange Staat und Kapitalismus existieren, es auch immer Menschen geben wird,
die den bestehenden Zustand der Gewalt und des wirtschaftlichen Raubes nicht
überwinden wollen, sondern sich ihm nur anpassen, in demselben so leidlich wie
möglich auskommen wollen. Sie wollen diesen Zustand bloß verändern, ihn aber
nicht abschaffen. Der Zusammenschluß dieser Menschen ist die Partei der
Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie ist eben nur Parteibewegung und keine
Kulturbewegung. Sie lebt durch den Kapitalismus, ist Fleisch von seinem Fleisch
und stirbt erst mit dem Absterben des Kapitalismus selbst. Aber in einer
Hinsicht wird die Sozialdemokratie schon viel früher aufhören müssen zu sein,
nämlich als Ideen-Organisation, die eine angeblich wissenschaftliche Grundlage
besitzt, die wahre Ideale vertritt! Nun splittern zwar fortgesetzt Teile von der
Sozialdemokratie ab, weil sie die Taktik derselben für verderblich erkennen,
alle diese Gruppen bleiben aber, abgesehen von einzelnen Personen, die zu uns
stoßen, trotzdem unter dem Geistesbann ihrer Ideen. Diese Gruppen müssen gewarnt
werden, es muß ihnen der richtige Weg gezeigt werden.
Der Weg zur Vereinigung des Proletariats auf frei sozialistischem Boden wird
erst gegeben sein, wenn die marxistischen Ideen überwunden sind, wenn dieselben
als nutz- und sinnlose Demagogie, als eine Art weltliche, politisch
hinterhältige, verschlagene Theologie erkannt werden!
Alle sozialistischen Schulen von Mitte des 18. bis Mitte des 19.Jahrhunderts
knüpften an den bereits im 16. Jahrhundert von Thomas Campanello aufgestellten
Fundamentalsatz an:
"Alle Übel entspringen den zwei Gegensätzen des Reichtums und der Armut." Alle
sozialistischen Denker bis vor Marx verwarfen die bürgerliche Philosophie und
Theologie. Marx dagegen ging von der hegelianischen, historischen
Betrachtungsweise aus, die besagte: „daß alles in unserer
Gesellschaftsorganisation, also auch das Schlechte, alle Niederträchtigkeiten
und Gewalttätigkeiten, etwas historisch bedingtes“ seien, etwas notwendiges und
zwar so, daß sie deshalb historisch bedingt „seien, weil sie in der
Vergangenheit und Gegenwart die Macht und Gewalt“ zu ihrer Aufrechterhaltung
besitzen. Es ist nun selbstverständlich, daß bei dieser Annahme sofort die Frage
auftaucht, wer denn nun ursächlich diese historischen Notwendigkeiten bestimmt,
daß sie gerade diese oder jene Resultate zeitigten ? Auf diese Frage ist aber
nur eine theologische Antwort möglich. Darum führte diese Auffassung Hegels zur
Anerkennung eines Gottesbegriffs, zur Anerkennung der Autorität und Herrschaft
des Gottesgnadentums und der Kirche, überhaupt aller Gewaltmächte des Staates,
und zu der Anerkennung des Rechtes ihrer Existenz.
Diese Auffassung ist offen reaktionär, weil darin die beste Entschuldigung und
Begründung des kapitalistischen Systems liegt. Der Hegelianismus erkennt das
Bestehende an und rechtfertigt es. Sein Hauptgrundsatz lautet:
"Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist das ist vernünftig!"
Da die wahre Wissenschaft voraussetzungslos sein muß, ergibt sich schon aus
dieser Voreingenommenheit, das Bestehende ohne weiteres als vernünftig und
gegeben anzuerkennen, die Wissenschaftslosigkeit des Hegelianismus und damit
auch seiner wirtschaftlichen Spielart des Marxismus.
In solchen Sophistereien erblickte die Reaktion des preußischen Staates von
47-48 die beste Philosophie, sie ernannte daher Hegel zum Professor der
Philosophie, als welcher er dann bis zu seinem Tode der Reaktion vortreffliche
Dienste leistete. Das Reaktionäre der Hegelschen Denkweise tritt besonders
hervor, wenn man die Gedankengänge des derzeitigen französischen Zeitgeistes von
Männern wie Rousseau u. a. dagegen hält, die ungefähr sagten: „daß das
Vernunftgemäße der Erkenntnis des Menschen das Wirkliche seines sozialen
Zustandes zu ersetzen habe - und daß das Produkt blinder Geschichtsmächte der
Gewalt, deren Vergangenheit noch in die Gegenwart hineinragt und zur Zukunft zu
werden strebt, als unvernünftig zu verdammen ist.“
Marx hat nun lediglich die reaktionären Anschauungen Hegels umgedreht, wobei er
aber zu demselben Resultat kommen mußte. Während Hegel das Geistige als das
einzige absolute Einheitsmotiv im All und der Menschheit hielt, erklärte Marx
das Materielle als das Wesentliche des Geschehens und sozialen
Geschichtsprozesses.
Nach Marx besteht das Leben der Menschheit aus einem Bau von Lebensprozessen, In
denen die einen den anderen über- und untergeordnet sind. Nach Marx bildet die
Ökonomie die Grundlage der Gesellschaft, während das gesamte geistige Leben nur
eine Art Überbau ist. Das Studium der Natur und Gesellschaft lehrt uns dagegen,
daß alle Lebensvorgänge einander neben- und gleichgeordnet sind! Sie stehen und
wirken zugleich miteinander. Alle Individuen werden von diesem Einfluß erfasst,
bloß in verschiedener Art, und ist es nun ungemein schwer zu bestimmen, ob
geistige oder materielle Faktoren einen bestimmenden Einfluß ausüben. Es besteht
eine dauernde Wechselwirkung zwischen geistigen und materiellen Faktoren. Zwar
hat sich nie ein geistigcr Prozeß außerhalb der Materie des Alls abgespielt, es
ist aber doch positiv richtig, daß es gewaltige, bedeutende Ereignisse gegeben
hat, die ganz unabhängig von der Produktionsweise, mindestens ohne bedeutenden
Einfluß derselben sich abspielten und vollzogen.
Der Marxismus basiert auf der Theorie des Hegelianismus, daß dauernd ein Wechsel
der Dinge und Verhältnisse in der Weise stattfindet, daß die These, das
Bestehende in das Gegenteil, in die Antithese umschlägt, aus welcher Form dann
die Synthese, eine Vereinigungsform der beiden ersten, hervorgeht, worauf dann
die Entwickelung wieder bei der ersten Form von vorn anfängt. Diese Theorie ist
lediglich eine komische Gedankenkonstruktion, ein Hirngespinst. Die
Naturwissenschaft und die Geschichte beweisen uns daß sie falsch ist. Die
Naturwissenschaft lehrt uns, daß ins niederen Arten sich langsam höhere
entwickeln, noch nie ist aber eine Art in ihr Gegenteil umgeschlagen, nie wird
aus einem Löwen ein lammfrommes Schaf, nie aus einem Wolf eine gutmütige Ziege.
So wird auch niemals der Kapitalismus von selbst in sein Gegenteil, den
Sozialismus umschlagen. Jede Produktionsweise beruht ursächlich auf Mathematik,
Geometrie, kurz, allgemeiner Technik. Diese beruhen aber auf den geistigen
Fähigkeiten des Menschen. Im Anfang jeder Produktion steht also die Geisteskraft
des Menschen. Zuerst mußte der Mensch die Werkzeuge erfinden und herstellen Die
Werkzeuge konnten also erst nach ihrem Bestehen den Menschen bedingt
beeinflussen. Hiermit ist die Wechselwirkung zwischen Welt und Wille bewiesen.
Die Marx-Hegelsche Theorie von der These-Antithese-Synthese ist geeignet, die
Menschen auf die Selbstentwickelung zu vertrösten, ihnen den Willen zur Tat zu
rauben, was auch geschehen ist. Darum wirkt sie reaktionär! Ihren Ausdruck haben
die reaktionären Theorien in dem „Kommunistischen Manifest“ und im „Kapital“
gefunden.
II. Das kommunistische Manifest
Das kommunistische Manifest ist gleichsam das Evangelium des Sozialdemokraten;
er hält es für den Inbegriff aller Weisheit und ist von seinem revolutionären
Inhalt überzeugt Diese Ansicht hält aber einer kritischen Prüfung nicht Stand
und beweist nur, dass alle diese auf das kommunistische Manifest schwörenden
Sozialdemokraten die Begriffe reaktionär und revolutionär nicht unterscheiden
können.
Zunächst ist zu bemerken, dass das kommunistische Manifest keine Originalarbeit
von Marx-Engel ist, sondern dem Inhalt und der Form nach ein Plagiat an dem
französischen Fourieristen Victor Considerant. Marx und Engels haben sich die
Gedankengänge des letzteren zu eigen gemacht und dessen Anschauungen in der
ihnen eigentümlichen Form zum Ausdruck gebracht. Es ist aber die knappste und
übersichtlichste Zusammenfassung des Marxismus.
Im ersten Teil der Broschüre wird die kapitalistische Gesellschaft in Bourgeois
und Proletarier geteilt und diese Teilung als das Resultat von Klassenkämpfen
geschildert. Bemerkenswert ist dabei der Umstand, dass reichlich die Hälfte des
ersten Kapitels eigentlich weiter nichts bringt, als eine Lobpreisung und
Bewunderung der großen Errungenschaften, die der Kapitalismus gebracht haben
soll! So wird rühmend hervorgehoben, daß die Städte das flache Land unterworfen
haben. Das ist falsch, denn gerade heute können wir es wieder besonders stark
empfinden, daß umgekehrt die Städte vollkommen abhängig vom Lande sind. Weiter
wird lobend erwähnt, daß der Kapitalismus einen bedeutenden Teil der Bevölkerung
dem Idiotismus des Landlebens entrissen habe. Das ist wiederum falsch, denn der
Idiotismus des proletarischen Fabriksklaven in der Stadt ist nicht geringer als
derjenige des armen Landarbeiters. Und umgekehrt ist die Borniertheit eines
Industrie- oder Handelsbourgeois in der Stadt nicht größer als diejenige eines
Krautjunkers auf dem Lande. Natürlicherweise ist das Landleben dem
Großstadtleben vorzuziehen und darum der durch den Kapitalismus hervorgerufene
jetzige Zustand zu bedauern statt zu verherrlichen. Dann heißt es wörtlich:
„wie die Bourgeosie das Land von der Stadt, hat sie die barbarischen und
halbbarbarischen Länder von den zivilisierten, die Bauernvölker von den
Bourgeoisvölkern, den Orient von dem Okzident abhängig gemacht!“
Hierin liegt offen eine Rechtfertigung der imperialistischen Politik der
kapitalistischen Staaten. Der fünfjährige Krieg hat uns erneut und blitzartig
bewiesen, daß die sogenannten zivilisierten Völker an Barbarei überhaupt nicht
zu übertreffen sind. Das Umgekehrte, was Marx sagt, ist richtig, der
Kapitalismus hat die Menschheit in entsetzlicher Weise vertiert, er droht bei
Weiterbestand die letzten Reste der guten natürlichen Veranlagung der Menschen,
die gegenseitige Hilfe, die freie Solidarität völlig zu vernichten. Bei den
Naturvölkern sind diese für den Sozialismus notwendigen Eigenschaften weit
besser ausgebildet. Alle Anschauungen von Marx sind reaktionär im höchsten Maße.
Der verhältnismäßig beste Teil des Kommunistischen Manifests ist der zweite,
aber nicht etwa deswegen, weil er den Aufbau des Kommunismus schildert, davon
ist im ganzen Manifest kein Sterbenswörtlein enthalten. Es werden aber in
demselben, mit guten Argumenten wie anerkannt werden muß, die verschiedenen
Redensarten der bürgerlichen u. kapitalistischen Klopffechter gegen den
Kommunismus abgewiesen. Das ist aber auch alles. Nirgends wird dagegen Weg und
Ziel angedeutet.
Zunächst wird gesagt, daß der nächste Zweck der Kommunisten sei: Bildung des
Proletariats zur Klasse, (war also vorher doch noch keine Klasse), Sturz der
Bourgeoisherrschaft, Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat.
Später heißt es dagegen, daß die „kommunistische Revolution das radikalste
Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen“ ist. Aber anstatt nun
weiter auszuführen, was dies bedeute, wird ganz unvermittelt wieder erzählt, das
der erste Schritt zur Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur
herrschenden Klasse, die „Erkämpfung der Demokratie“ sei. Erstens bedeutet die
Anwendung der Demokratie die Benutzung eines bisher bürgerlichen Mittels,
zweitens lehrt uns aber auch die Geschichte früherer Revolutionen und die
Erfahrungen unter der deutschen sozialdemokratischen Regierung haben es uns
bestätigt, daß die Anerkennung der Demokratie nach einer Revolution stets zur
Abdankung derselben führt. Also nur ein Wust von Unklarheiten. Widersinnigkeiten
und Selbstverneinungen ist in diesen einzigen richtunggebenden Sätzen enthalten,
dagegen keine Spur von Kommunismus. Das ist verständlich, denn der
„Kommunismus“, wie ihn Marx-Engels auffassen, ist gar kein Kommunismus, sondern
Staatssozialismus, oder besser gesagt, Staatskollektivismus.
Während heute die Warenproduzenten in dem Gebrauch der Produktionsinstrumente
abhängig sind von den Privatkapitalisten, wäre im Marx-Engels-Staate dieser, der
Staat, die Macht, die über Leben und Tod des Volkes zu gebieten hätte. Das
Proletariat bliebe Proletariat, denn nach wie vor wäre es nicht im Besitze der
Produktionsmittel. Das Kommunistische Manifest nimmt an, daß der Staat nach und
nach „absterben“, sich selbst auflösen wird. Diese Annahme steht aber gegen alle
Erfahrungen in Natur und Gesellschaft. Nie schlägt eine Art in ihr Gegenteil um,
darum wird auch nie aus dem Staat - einem Unterdrückungs - und Ausbeutungsmittel
- eine Gesellschaft von Freien werden. Noch nie hat ein Staat Selbstmord verübt!
Er wird sich vielmehr immer mehr zum Macht- und Unterdrückungsfaktor ausbilden!
Tausend Beweise können dafür erbracht werden, daß jede Staatsform mit ungeheurer
Zähigkeit für ihre Aufrechterhaltung kämpft und gegen ihre Abschaffung. Auch der
Noskewismus und Bolschewismus haben alle ministeriellen, politischen und
juristischen Ämter genau so bekleidet und gemißbraucht, wie jede andere
Staatsform. Die Partei- und Gewerkschaftsbonzen sind die Staatsgewaltigen, die
Diktatoren, im sozialistischen Staate. Sie bilden aber schon in der Gegenwart,
unter der kapitalistischen Form, eine Klasse für sich, die gegen die Interessen
des Proletariats arbeitet, seinen Elan wenigstens dauernd hemmt - das geben sie
selbst zu! Sie werden also auch totsicher in der staatssozialistischen
Wirtschaft nicht für das „Absterben des Staates“ tätig sein, daß ihnen endgültig
ihre Vorrechts- und Herrschaftsposten nehmen würde!
Schließlich werden im kommunistischen Manifest einige Maßregeln zur Anwendung
empfohlen, die aber durchweg reaktionär sind, u.a.:
1.Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu
Staatsausgaben. Davon hätten die hungernden Proletarier nichts - sie sollen für
Bearbeitung des Bodens Grundrente entrichten zur Bestreitung der hohen
Staatsausgaben.
2.Starke progressive Steuer. Also Geld- und Steuersysteme sollen beibehalten
werden, was zwar kapitalistisch, aber nicht sozialistisch ist.
3.Abschaffung des Erbrechts zugunsten des Staates! Also alles für den Moloch
Staat, nichts für das Volk
4. Konfiskation des Eigentums aller Emigranten und Rebellen. Wer also nicht mit
den Maßnahmen der Staatsdiktatoren einverstanden ist, wird seines Eigentums
beraubt, natürlich zugunsten des Staates!
5. Zentralisation des Kredits in den Händen des Staates durch eine Nationalbank
mit ausschließlichem Monopol.
In der sozialistischen Gesellschaft sind keine Banken nötig, nur in der
kapitalistischen! Aber auch dort ist das Monopol das größte Übel! Monopol ist
das Gegenteil von Gemeinwirtschaft, Sozialismus.
6. Zentralisation des Transportwesens ! Die volksfeindlichen Wirkungen dieses
Systems haben Arbeiter und Publikum zur Genüge bei der Eisenbahn und Post kennen
gelernt - und lernen es täglich mehr kennen.
7. Arbeitszwang für alle durch Errichtung von industriellen und
landwirtschaftlichen Armeen.
Also Militarisierung des gesamten wirtschaftlichen Lebens.
Es würde also nach dem kommunistischen Manifest in dem sozialistischen Staate so
aussehen: Sie, die er wählten Führer, befehlen, herrschen, sind aber frei von
produktiver Arbeit, die Massen arbeiten auf Befehl, unter Waffengewalt, ähnlich
wie dies heute schon in Zuchthäusern, Gefängnissen, Kasernen und Klöstern der
Fall ist. Diese reaktionären Ideen sind nicht einmal neu und originell! Die
Bewirtschaftung der Latifundien durch riesige Sklavenhorden war schon im alten
Rom über drei Jahrhunderte vor Christi die vorherrschende landwirtschaftliche
Betätigung des verruchten Großgrundbesitzes! Also ein Zurückschrauben auf
vorgeschichtliche, entsetzliche Zustände würde der Marxismus bedeuten, und wie
damals Rom an diesen Zuständen zugrunde gehen mußte, würde die Einführung dieses
Systems nur eine Versklavung der Menschheit und aufs neue den Untergang
bedeuten.
Im ganzen Kommunistischen Manifest ist kein Wort über die Aufhebung des
Lohnsystems enthalten, Marx-Engels berühren die Frage des Entgelts der
menschlichen Arbeitsleistung überhaupt nicht. Dies ist wieder erklärlich, weil
sie bei Untersuchung dieser Frage nur zu zwei Möglichkeiten gekommen wären, die
ihnen beide nicht paßten. Entweder findet nämlich die Entlohnung nach der
Arbeitsleistung statt. Das ginge nicht, weil ein Staat den Produzenten nie den
vollen Ertrag ihrer Arbeit gewähren kann, da er einen großen Teil des
Arbeitsertrages zu seiner Aufrechterhaltung eintreiben muß. Oder alle
Gesellschaftsmitglieder erhalten Nahrung, Kleidung und Notdurft nach ihren
Bedürfnissen, was Kommunismus wäre. lm letzteren Falle ist aber der Zwangsstaat
ein Unding, denn ohne ökonomische Zwangsmittel, also ohne Hungerandrohung oder
dergl. könnte kein kommunistischer Staat seinen Willen gegen widerspenstige
Minoritäten durchsetzen. Kann er dies aber tun, so hört er auf, kommunistisch zu
sein und ist wieder Gegenwartsstaat mit Ausbeutung. Um diese Tatsachen nicht
klarzustellen, mussten Marx-Engels darüber schweigen und alles dem Laufe der
Entwicklung überlassen! So sehen wir, daß Marx-Engels in dem Kommunistischen
Manifest einen gefälschten Kommunismus für den echten unterschoben haben. Da die
kommunistischen Ideen damals immer mehr an Verbreitung gewannen, versahen
Marx-Engels ihre reaktionären staatskapitalistischen Ideen mit der
falschmünzerischen Überschrift: „Kommunistischen Manifest!“ Dadurch, daß die
Sozialdemokratie diese Ideen angenommen hat, ist der wahre Kommunismus bei den
deutschen Arbeitern in Vergessenheit geraten, und erweist sich jetzt die
notwendige Umbildung der kapitalistischen Wirtschaft in die kommunistische als
so ungeheuer schwierig.
III. Das Kapital
„Das Kapital“ gilt allgemein als die Bibel des waschechten Sozialdemokraten und
nicht mit Unrecht, denn es ist dickleibig, schwer verständlich und läßt sich
ebenso nach allen möglichen Richtungen auslegen; es ist auch stark dogmatisch
und ebenso unwissenschaftlich. Marx benennt es "Kritik der politischen
Ökonomie", womit er die Methode der Engländer befolgt die die in Deutschland
übliche Bezeichnung „Nationalökonomie“ vermeiden. Schon in dem Worte liegt
nämlich ein großer Schwindel, es handelt sich bei dieser Ökonomie nicht, wie man
mit dem Wort den Anschein zu erwecken sucht, um die Interessen des gesamten
Volkes, sondern um diejenigen einer kleinen privilegierten Minderheit, einer
politischen Clique. Die Nationalökonomie ist als Rechtfertigungsversuch des
kapitalistischen Ausbeutungssystems zu betrachten. Während der Kommunismus
sämtliche Grundelemente der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer produktiv
materiellen Existenzform und Bedingungen verneint, erklärt die Nationalökonomie
dieselben, rechtfertigt sie und ist von diesem Standpunkte ausgehend bestrebt,
sie systematisch auszubilden.
Darin besteht die geistige Tätigkeit aller Nationalökonomen, sie sind so
gewissermaßen die Buchführer des herrschenden Systems mit all seinen gefälschten
Haben- und Soll-Seiten. Stellt der Marxismus schon einen gewaltigen Hemmschuh in
der Entwicklung des Sozialismus dar, indem er diesen auf das kulturwidrige
Niveau der Autorität und Gewalt der Staatsdiktatur niederdrückt, so weist er
einen vielleicht noch größeren Rückschrittsmoment darin auf, daß er anstatt die
Überwindung jeglicher Nationalökonomie des Kapitalismus durch den Kommunismus zu
betonen, die Einverleibung des Kommunismus in die Nationalökonomie
bewerkstelligt hat. Auf diese Art hat Marx den sozialen Befreiungsgedanken auf
den Kaufmannsjargon des kapitalistischen Kommerzialismus, auf dessen Spekulation
und Gründe gestützt. Man kann zwar zugeben, daß es oft richtig ist, den Gegner
im eigenen Lager aufzusuchen und ihn dort zu schlagen, das hat Marx auch getan,
er ist aber dabei in der Nationalökonomie stecken geblieben. Seine Lehren
beschränken sich auf Reformen vom Standpunkt der Nationalökonomie gegenüber den
bisherigen gedankenlosen Koryphäen auf diesem Gebiete. Das war aber schon lange
vor Marx von anderen Gelehrten geschehen und daher nichts neues. Marx hat nicht
angeknüpft an die bereits vorhandenen großen Gedankenarbeiten vieler
Sozialisten, er war und blieb bloß ein großer Nationalökonom. Der bereits
vorhandene Kommunismus hatte die bürgerliche Nationalökonomie bereits vor Marx
widerlegt, es war dies vornehmlich geschehen durch Proudhon und Fourier. Wichtig
wäre damals die Weiterentwicklung der vorhandenen kommunistischen Ideen gewesen,
dieses aber hat Marx gründlich unterlassen, diese Tätigkeit übte allein Bakunin
aus, der dafür von Marx auf das entschiedenste bekämpft wurde.
Marx unterläßt es im „Kapital“, auf die Vorbedingungen der Entstehung des
Geldbegriffes einzugehen, er rechnet einfach schlechthin mit diesem Begriff. Bei
dieser Methode brauchte er natürlich nicht zu der Grundlage kommen, dass
zunächst die Herrschaftsinstitutionen und die Monopole einzelner die
Vorbedingungen der Entstehung des Kapitals sind.
Nach Marx besitzt die kapitalistische Klasse schon dadurch, dass sie im Besitze
der Produktionsmittel ist, die Möglichkeit einer Ausbeutungs- und
Versklavungsfunktion. Dies aber ist zu kurzsichtig gedacht! Der Besitz allein
würde nicht genügen, wenn nicht eine Macht da wäre, die dem Kapitalisten seinen
ungeheuerlichen Eigentumsanspruch garantiert; erst dadurch, dass es innerhalb
der Gesellschaft eine Macht- und Gewaltorganisation gibt - den Staat - , kann
die Ausbeutung durch den Besitz an Produktionsmitteln stattfinden. Erst diese
Gewaltinstitution schafft Zustände, die im Altertum die Sklaverei, im
Mittelalter die Leibeigenschaft, in der Neuzeit die Lohnhörigkeit ermöglichte.
Alles dies sind Ausbeutungsformen, nur verschiedener Art, die ersteren keine
kapitalistischen. Aber alles dies geht Marx nichts an. Bei ihm beginnt die
Ausbeutung erst beim Produktionsprozess. Vorher huldigt er der falschen
Auffassung, dass der Arbeiter im Verkauf seiner Ware Arbeitskraft frei sei.
Diese falsche Auffassung erklärt es, daß Marx und die Marxisten eine so
verkehrte Ansicht von der Freiheit haben. Wir wissen, daß der Arbeiter dem
Unternehmer gegenüber nicht frei, nicht ebenbürtig ist, sondern daß er von
Geburt an zu dem wirtschaftlichen Sklaven der Hungerpeitsche gemacht wurde. Er
muß seine Ware Arbeitskraft zwangsweise verkaufen. Hier liegt ein fundamentaler
Irrtum der marxistischen Ideen klar zutage.
Die Grundlehre des „Kapital“ bildet „die Werttheorie“. Marx behauptet mit
derselben, daß das Maß der menschlichen Arbeit den Wert aller Dinge bestimme.
Dabei übersah Marx zunächst, daß bereits vor Beginn der Arbeit die Herstellungs-
und Erlangungskosten der Erlaubnis zu der Produktion vom Kapital erworben werden
müssen, und daß in allen Dingen der Wert einer großen Vorarbeit vergangener
Geschlechter mit enthalten ist. An einigen Beispielen kann man leicht erkennen,
wie falsch die Werttheorie ist. Ein Stück Land wird nicht dadurch wertlos, daß
es brachliegt, also keine menschliche Arbeit in demselben verkörpert wird. Oft
ist vielmehr ein Stück unbebautes Land weit teurer im Werte als ein anderes
gleich großes Stück bebautes Land in anderer Stelle. Hier spielten die örtlichen
Verhältnisse, die kapitalistische Spekulation, die entscheidende Rolle. Dinge
oder Gegenstände haben oft einen umso höheren Wert, je seltener sie sind. So
wäre Kaviar nicht teurer wie Heringsrogen, wenn lediglich die in denselben
enthaltene menschliche Arbeit den Wert bestimmen würde. Die Herstellung eines
künstlichen Schmucksteines macht meistens mehr Arbeit als das Schleifen eines
Edelsteins, und doch ist der echte Stein unvergleichlich wertvoller, als der
künstliche. Heute kann man täglich beobachten, wie wenig in der kapitalistischen
Wirtschaft der Wert einer Ware in irgendwelcher Beziehung zu der in derselben
enthaltenen Arbeit steht. So konnte man kürzlich lesen, daß für einen gefällten
gewöhnlichen Baum ein Preis von rund 9000 Mk., für einen Eichenbaum dagegen
12000 Mk. bezahlt wurden, trotzdem erstens mal für das Fällen und Behauen beider
Bäume ungefähr die gleiche Arbeit notwendig war, zweitens aber nur wenige Mann
nur einige Stunden mit dem Fällen und Zurechtmachen zu tun hatten. Der Wert der
in dem Baumholz enthaltenen menschlichen Arbeit beträgt also höchstens einige
hundert Mark, aber die kapitalistische Spekulation bezahlt in der Praxis einen
weit höheren Wert. Der Wert einer Ware wird auch beeinflusst durch die
Austauschverhältnisse, nicht bloß durch die Produktionsverhältnisse, wie Marx es
annimmt. Weiter lässt sich die geistige Arbeit nie messen, speziell nie in einer
Ware das Maß der darin enthaltenen geistigen Arbeit bestimmen. Keine einzige
Ware wird vom Kapitalisten gekauft oder verkauft laut der in ihr
vergegenständlichten Arbeit, sondern ausschließlich nach den zu ihrer
Herstellung nötigen Kosten samt Gewinn, so dass in Wirklichkeit ausschließlich
der Preis den einzigen realen Wert einer Sache bildet, alles übrige, was Marx in
ihr hineindichtete, in der realen Wirklichkeit keinen Bestand besitzt.
Die Marxsche Behauptung, dass die Arbeit den Wert aller Dinge bestimme, ist aber
ein schmeichelhaftes Zugeständnis an den Kapitalismus, dem er dadurch im Grunde
genommen einen kommunistischen Inhalt verleihen will. Denn wenn die
gesellschaftliche Arbeit den Gradmesser für den Wert aller Waren bildet, dann
ist der Wert berechtigt und für alle Gesellschaftsmitglieder gleich. Die
Marxsche Wertlehre ist somit geeignet, der kapitalistischen Ideologie zu dienen,
der Ausbeutung ein Entschuldigungsmäntelchen umzuhängen.
Das verkehrteste ist nun aber, daß Marx seinen Wertbegriff auch auf die
staatssozialistische Gesellschaft übertragen wollte. Für den Kommunismus sind
die Marxschen Ausführungen über den Wert absolut nutzlos und sogar zweckwidrig.
Sämtliche Wertbegriffe, wie wir sie heute kennen, sind samt und sonders
kapitalistische Begriffe. Luft, Sonnenlicht, Regen, Erdfeuchtigkeit, Humus,
kurz, viele der wichtigsten Produktionsfaktoren sind, weil sie nicht
monopolisiert werden konnten, heute kapitalistisch wertlos. Und doch sind sie
von höchstem wirklichen Wert für die Gesellschaft. So verhält es sich in einer
kommunistischen Gesellschaft mit allen Gegenständen des Lebens und der
Erzeugung, weil jede Monopolwirtschaft beseitigt und die ungehemmte
Produktionsfreiheit aller gesichert ist. Mit dem Aufhören des Eigentumsbegriffes
an Produktionsmitteln hört auch jeder Wertbegriff für den einzelnen auf.
Wenn man das Unrecht der kapitalistischen Ausbeutung nachweisen will, braucht
man dazu nicht die falsche und schädliche Gedankenspielerei der Marxschen
Werttheorie! Die einfache Tatsache, dass jedwedes Produkt um einen weit höheren
Preis verkauft wird, als sein wahrer Produzent dafür bekam, ist doch wohl eine
genügend klare Bemessung der Ausbeutung und des Betrugsumfanges, denen der
Proletarier unterliegt.
Aus der irrigen Wertlehre folgen nun alle anderen Irrlehren des Marxismus.
IV. Mehrwert-Lehre
Mit dieser Theorie kommen wir zu der wichtigsten Seite des Marxismus. Mit ihr
glaubte Marx das Geheimnis der kapitalistischen Ausbeutung entdeckt zu haben.
Inzwischen haben die bürgerlichen Nationalökonomen diese Mehrwert-Lehre längst
widerlegt, indem sie den Nachweis (natürlich vom kapitalistischen Standpunkt
aus) erbrachten, daß der Mehrwert berechtigt sei, weil er einen Entgelt für die
Unternehmerarbeit, für die Hergabe des Kapitals und für das Risiko darstellt.
Marx ging bei dieser Theorie wieder nur von der Industrie aus; er sah darin,
dass sich der Arbeiter für einen Tagelohn verdingen muss, noch kein Unrecht. Der
Unternehmer entlässt nun aber den Arbeiter nicht nach 5 oder 6 Stunden, wenn er
für den Betrag des Tagelohnes Werte geschaffen hat, sondern beschäftigt ihn
länger, 10 bis 12 Stunden. Die Differenz ist der „Mehrwert“, den steckt der
Unternehmer ein, und erst damit hat dann die Ausbeutung stattgefunden. Nach
dieser Marxschen Theorie steigt die Ausbeutung bei verlängerter Dauer der
Arbeitszeit. - Wir können diese ganze Gedankenkonstruktion nur als eine
lächerliche Firlefanzerei bezeichnen, denn wir wissen, dass der Arbeiter von der
ersten bis zur letzten Stunde der Arbeitszeit ausgebeutet wird. Nach der
Marxschen Mehrwerts-Lehre hätte mit der Verkürzung der Arbeitszeit auch die
Ausbeutung geringer werden müssen. Wir wissen aber, dass die Rentabilität des
Kapitalismus nicht gesunken ist, trotzdem der Arbeitstag von der Arbeiterschaft
dauernd heruntergedrückt worden ist; eher hat das Umgekehrte stattgefunden. Die
Gewinne und Dividenden der Unternehmer sind dauernd größer geworden. Damit ist
die ganze Mehrwert-Lehre schon als falsch bewiesen. Aus der falschen Theorie vom
Mehrwert zieht Marx schließlich in seinem Kapitel die Folgerung, daß die
Herbeiführung eines Normal-Arbeitstages das wichtigste erste Ziel der
Arbeiterschaft sein müßte. Durch Beteiligung in den Parlamenten soll das
Proletariat für Staatsgesetze eintreten, die einen Maximal-Arbeitstag festlegen.
Durch solche allmählichen Verkürzungen der Arbeitszeit sollte der Mehrwert immer
mehr verkleinert und so der Kapitalismus nach und nach abgetragen werden. Nur,
die Arbeiterschaft hat glücklicherweise nicht auf die ihm von Marx empfohlene
gesetzliche Normierung der Arbeitszeit gewartet, sondern diese selbst durch
dauernde Anwendung der direkten Aktion in die Hand genommen. Marx hat aber auch
im Kapital selber zugeben müssen, dass alle Gesetze in England entweder
ohnmächtig waren oder Verschlechterungen für die Arbeiter brachten, dass nur
immer die Arbeiter selber durch irgendwelche direkten Aktionen sich
Verbesserungen verschaffen konnten. Wir Syndikalisten wissen, dass der
Mehrwert-Betrug nicht die einzige Form der Ausbeutung darstellt, sondern dass
das Proletariat auch als Konsument durch Handel, Verkehr, Hausbesitz,
Bodenwucher ausgebeutet wird, ebenso durch die verschiedenen Arten der
Besteuerung durch den Staat. Marx übersieht auch, daß der Mehrwert erst durch
Export realisiert werden muß, wodurch die Staaten zum Imperialismus gedrängt
werden. Die Ausbeutung des Proletariats ist also mit der Mehrwert-Lehre nicht zu
erklären, sie ist ebenso falsch, wie alle anderen Marxschen Theorien.
Die Zusammenbruchs-Theorie
Mit derselben behauptet Marx, daß der Kapitalismus an seinen eigenen
Entwicklungsprodukten auf Grund feststehender ökonomischer Gesetze zugrunde
geben müsse. Dies wäre nun zwar gut und schön, wenn es richtig wäre, es ist aber
nicht richtig, sondern falsch. Eine solche Vertröstung ist aber geeignet, die
Arbeiterschaft vom Klassenkampf abzuhalten, sie führt zum Fatalismus, und ist
deshalb ein Verbrechen. Die Zusammenbruchstheorie zerfällt in zwei Hauptteile,
der erste ist
die Verelendungstheorie
Diese besagt, daß im Maße, wie sich der Kapitalismus weiterentwickelt, die Lage
des Arbeiters sich immer mehr verschlechtern muß, und gleichzeitig die
industrielle Reserve-Armee, also das Heer der Arbeitslosen, immer größer wird.
Nach dieser Theorie hätte in den 50 bis 60 Jahren industrieller Entwickelung
nach Marx die industrielle Reserve-Armee schon die Mehrheit des Volkes bilden
müssen, in Wirklichkeit ist sie aber nicht größer geworden, ihre Zahl schwankt
wellenförmig um einen bestimmten Prozentsatz. Marx übersah hierbei, dass der
Kapitalismus ein Mittel in Anwendung bringt, wenn die Gefahr für ihn besteht daß
das Heer der Arbeitslosen zu groß wird, nämlich den Krieg. Er ist das Mittel zur
Verminderung der industriellen Reserve-Armee. Aber selbst wenn die
Verelendungstheorie zuträfe, was aber, wie bewiesen, nicht der Fall ist, dann
könnten diese Erscheinungen nie zum Sozialismus führen, sondern nur noch weiter
hinweg von ihm. Ein in so hohem Maße verelendetes Proletariat könnte vielleicht
einen Zusammenbruch des kapitalistischen Systems herbeiführen, niemals aber den
sozialistischen Aufbau vollziehen. Es ist also gut, daß auch diese
Verelendungstheorie ein eingebildeter Spuk ist, übrigens widerspricht diese
Theorie auch direkt den eigenen Ansichten von Marx über die Möglichkeit,
vermittels eines gesetzlichen Normalarbeitstages die kapitalistische Ausbeutung
mildern zu können.
Den zweiten Teil der Zusammenbruchstheorie bildet die Konzentrationstheorie
Nach ihr behauptet Marx, dass das Kapital sich in immer weniger Händen
konzentriere, dass der Mittelstand nach und nach verschwindet, von den
Kapitalisten aufgesogen werde, und daß schließlich die Kapitalistenklasse sich
selbst untereinander immer mehr dezimiere. Aus dieser Konzentrationstheorie hat
Marx auch seine zentralistischen Tendenzen für den sozialistischen Staat
übernommen. Diese Tendenzen sind also ebenso verkehrt, wie die ganze Theorie. In
logischer Folge seiner irrigen Ansichten erachtet Marx die Vernichtung aller
Mittelklassen für eine Notwendigkeit, trotzdem er zugibt, daß diese
Mittelklassen in der kapitalistischen Wirtschaft freier und besser leben als die
Arbeiterklasse. Aus diesen Ansichten folgt weiter das häufige Eintreten der
Sozialdemokratie in den Parlamenten zugunsten des Großkapitalismus, auch das
Eintreten für den Weltkrieg ist letzten Endes auf den Irrwahn zurückzuführen,
daß der Weltkrieg eine natürliche Etappe auf dem Wege der notwendigen
Konzentration des Kapitals bedeute. So fürchterlich erweisen sich die Folgen der
durchweg falschen Theorien von Marx. Das gerade Gegenteil trifft in Wirklichkeit
zu: Der Mittelstand und die Kapitalisten vermehren sich dauernd, die Zahl der
Ausbeuter verringert sich nicht, sondern steigt. In wunderbarer Weise hat dies
der russische Gelehrte Tscherkeseff nachgewiesen, und zwar gerade für England,
demselben Lande, aus welchem Marx seine ganzen „Wissenschaften“ geschöpft hatte.
Danach hatten in England im Jahre 1815 nur 39569 Personen ein Einkommen von über
3000 Mk., 1907 aber 568092, das heißt 14,3 mal soviel, während sich die
Bevölkerung in dieser Zeit nur verdoppelt hatte. Kleinkapitalisten gab es 1907
16,8 mal soviel wie 1815, und Großkapitalisten 11,03 mal so viel. In allen
Ländern vollzieht sich die Entwickelung in ähnlicher Form, so hat sich die Zahl
der Millionäre in Preußen von 1895 bis 1911 von 5306 auf 9431 erhöht,
interessant werden die Zahlen für die Kriegszeit sein, wenn wir sie erfahren
sollten. In Amerika hat sich die Zahl der Millionäre seit Kriegsbeginn 1914 von
4000 auf 20000 erhöht. Mit diesen Tatsachen ist die Konzentrationstheorie
widerlegt, und die Zusammenbruchstheorie von Marx tatsächlich zusammengebrochen.
Noch offenkundiger wird die Unwissenschaftlichkeit des Marxismus in bezug auf
die Konzentrationstheorie dadurch, dass Marx bei allen seinen Untersuchungen die
Agrikultur nicht berücksichtigt hat. Damit hat Marx gerade die Hauptseite der
Wirtschaft ignoriert, aus dem Grunde schon wären alle seine Hypothesen null und
nichtig, weit das industrielle Kapital nur eine sekundäre Erscheinung, die
landwirtschaftliche Produktion aber die elementare Form jeglicher Produktion
überhaupt ist. Zunächst muß doch mal der Mensch essen, also landwirtschaftliche
Produkte haben, erst dann kann er weben, Maschinen bauen, produzieren. Und
letzten Endes haben alle Mittel zur Produktion, wie Häuser, Maschinen,
Rohprodukte, ihren Ursprung in der Landwirtschaft. Marx machte sich die Sache
sehr einfach, er übertrug die angebliche kapitalistische Tendenz unbesehen auf
die Landwirtschaft. In der Landwirtschaft tritt es aber noch viel klarer zutage
wie in der Industrie, daß diese angebliche Tendenz eine Fabel ist. Die
Entwickelung beweist uns nämlich, daß in der Landwirtschaft der Großbetrieb
dauernd zurückgeht, während der Kleinbetrieb blüht und gedeiht, und zwar trifft
dies für alle Länder in gleicher Weise zu.
So lehrt uns die Berufszählung für Deutschland vom Jahre 1907, daß die Zahl der
Parzellen und Kleinbetriebe (also die unter 2 ha) seit 1895 um rund 142 000
gestiegen ist. Die der Kleinbauern (2-5 ha) verlor allerdings 10000, aber nur,
indem der eigentliche Mittelstand des Bauerntums (5- 20 ha) um volle 67000
zunahm. Dagegen verloren die großbäuerlichen Betriebe (20-100 ha) fast 20000,
und der Großgrundbesitz (über 100 ha) 1500, das heißt rund 6 Proz. aller in
Deutschland vorhandenen Großgrundbesitzbetriebe. Diese tatsächliche Entwickelung
von 12 Jahren, eine Entwickelung, die aller marxistischen Theorie ins Gesicht
schlägt, vollzieht sich in derselben Weise weiter. In anderen Ländern, wie
Ungarn, vollzieht sich eine gleiche Entwickelung in noch stärkerem Maße, überall
in allen Ländern geht die Landwirtschaft zum Kleinbetrieb über. Wie rationell
der Kleinbetrieb arbeitet, kann man an China sehen, wo der Boden unter alle
Familien des riesigen Volkes ungefähr gleich aufgeteilt ist, dort ist
Feldwirtschaft beinahe überflüssig geworden, es wird eine so rationelle
Gartenkultur getrieben, daß 1 ha Land 10 Personen ernährt.
So schafft die ökonomische Entwickelung die Vorbedingungen jener Kultur der
kommunistischen Zukunft, deren Grundzüge im Gartenbau und Gartenbewirtschaftung,
in Verbindung mit unserer hohen elektro-maschinellen Technik ihren Ausdruck
finden werden. Das erstrebenswerte Ziel ist ein freies selbständiges Land- und
Industrievolk anstatt der marxistischen industriellen und landwirtschaftlichen
Armeen.
Den letzten Teil der Zusammenbruchstheorie bildet die Krisentheorie
Die Voraussage von Marx, daß sich die ungefähr 10 jährigen Krisen der
kapitalistischen Produktion immer häufiger und immer heftiger einstellen müßten,
hat sich ebenfalls nicht erfüllt. Der Kapitalismus hat es vielmehr verstanden,
durch Bildung von Kartellen und Trusten diese Krisenbildung zu verringern. Es
trifft aber auch nicht zu, daß die jeweils einsetzenden Krisen das
kapitalistische System schwächen, bis schließlich dadurch die ganze
kapitalistische Produktionsweise unmöglich wird, sondern die Krisen erwiesen
sich als Ereignisse, die die kapitalistischen Produktionsverhältnisse immer
wieder regenerierten, wenn die Planlosigkeit in der kapitalistischen Produktion
überhand genommen hatte. Wenn jetzt die kapitalistische Wirtschaft am Ende ihres
Lateins angelangt ist, so vollzieht sich dies nicht in der von Marx vorgesehenen
Form, sondern der Kapitalismus ist gerade umgekehrt bankerott geworden durch
Mangel an Kapital, Rohstoffen, Überschuldung. Und nur in der Unmöglichkeit, das
Lebensniveau der modernen Arbeiterschaft plötzlich gewaltig herunterzudrücken
und große Massen widerstandslos zu verelenden, liegt der Triebfaktor für die
Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Also jetzt hängt es doch wieder,
entsprechend den Lehren Bakunins, von dem revolutionären Wollen und der Energie
des Könnens des Proletariats ab, ob der Sozialismus Wirklichkeit wird.
Die Verneinung des Marxismus
Marx hat bei allen seinen Untersuchungen übersehen, daß zu allen Zeiten eine
Gewaltseinrichtung den Unterschied zwischen Armut und Reichtum ermöglichte. So
ist auch dem Kapitalismus unserer Zeit die Möglichkeit seiner Betätigung nur
durch den modernen Staatsmechanismus verbürgt. Marx hat den Unterschied zwischen
Staat und Gesellschaft nicht erkannt, und deshalb ist der Marxismus im Lichte
des Sozialismus schon reaktionär, weil er nicht auf eine Stärkung der
Gesellschaft gegenüber dem Staate, sondern umgekehrt auf eine Machtlosmachung
der Gesellschaft gegen die Allmacht des Staates hinausläuft. Sozialismus heißt
aber Vergesellschaftung. Die Befreiung der Menschheit von Staat und Kapitalismus
ist ausschließlich von der zunehmenden Intelligenz, dem reifenden
Gerechtigkeitsgefühl dem wachsenden Menschheitsgefühl des Individuums und
stärkeren Minoritätsgruppen zu erhoffen, die dem Staat und dem Kapitalismus
sich, Ihren Geist und ihr Arbeitsschaffen nach Möglichkeit entziehen. Diese
neuen Menschen müssen eine neue Gesellschaftsorganisation begründen helfen, die
sich mit allen Mitteln energisch von dem Kapitalismus loslöst. Der Kommunismus
wird nicht eine natürliche Folge der Akkumulation sein, wie Marx es behauptete,
sondern nur sozialistisch wollende und in diesem Sinne konstruktiv bauende
Menschen können den Kommunismus schaffen. Damit ist gleichzeitig die
Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Kampforganisatoren begründet, die
gleichzeitig die Zellen für die neue Gesellschaft bilden müssen.
Um nun die Staatsherrschaft durch ein geeinigtes Proletariat überwinden und das
Proletariat auf eine einheitliche wirtschaftliche Kampffront bringen zu können,
ist zunächst die Überwindung der marxistischen Irrlehren die Voraussetzung
hierzu. Der marxistische Staatssozialismus konnte nur seine Bedeutung erlangen
auf Grund des preußischdeutschen Sieges1870 über Frankreich, wodurch der
Staatszentralismus in seinem schärfsten Ausdruck sich anscheinend als die
überlegene und siegreiche Form der Organisation erwiesen hatte. Dieser Schein
ist jetzt durch den Zusammenbruch des preußischen Militarismus als ein
Trugschluß offenbar geworden und damit beginnt auch das Ende der Vorherrschaft
des marxistischen Pseudo-Sozialismus. Die Arbeiterschaft wird wieder zu den
Anschauungen der 1. Internationale, zu dem freiheitlichen Sozialismus
zurückkehren, wie ihn Bakunin im Gegensatz zu Marx vertrat. Unsere Aufgabe ist
es, diesen Prozeß möglichst zu beschleunigen. Dabei wird das dankenswerte Buch
von Pierre Ramus unschätzbare Dienste leisten.
Franz Barwich
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