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Folkert Mohrhof/Johnny Schlichting:

Anarchosyndikalistischer Widerstand vor 50 Jahren: Die illegale FAUD-Rheinland

„Im Namen des Deutschen Volkes“ verurteilte am 5. November 1937 der Volksgerichtshof in Berlin den Autoschlosser Julius Nolden aus Duisburg „wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen zu einer Zuchthausstrafe von 10 Jahren.“ Nolden war der Kopf der illegalen FAUD-Rheinland, die im Januar 1937 von der Gestapo zerschlagen wurde. Mit ihm standen weitere 88 GenossInnen vor Gericht. Das Verfahren gegen Nolden war allerdings an den Volksgerichtshof in Berlin gezogen worden.

Vorgeschichte

1921 hatte die Duisburger FAUD rund 5.000 Mitglieder. Diese Zahl sank bis zur nationalsozialistischen „Machtergreifung“ auf kleine Gruppen zusammen. Die vermutlich aktivste Gruppe in Duisburg-Süd soll zuletzt etwa 25 Aktivisten stark gewesen sein, die Provinzialarbeiterbörse-Rheinland (PAB) umfasste noch etwa 180-200 zahlende Mitglieder. Hier entstand nach 1933 das illegale Aktions- und Verbindungszentrum der FAUD für Westdeutschland.

Auf ihrem letzten Reichskongreß hatte die FAUD im März 1932 in Erfurt festgelegt, dass im Falle einer NS-Machtergreifung die Berliner Geschäftskommission aufgelöst und die Organisation von Erfurt aus illegal geleitet werden sollte.

Politisch wurde der Generalstreik gefordert: „Im Falle einer mehr oder weniger legalen Machtergreifung Hitlers fordert die FAUD den sofortigen Generalstreik, weil es darauf ankommt, den Faschismus zu verhindern, sich dem gesamten Staatsapparat zu unterwerfen.“ Dazu kam es nicht. Die Verhaftungsaktionen dezimierten auch die FAUD überall im Reich. Im April oder Mai 1933 gelingt es dem Schriftleiter der Geschäftskommission, Dr. Gerhard Wartenberg, noch, die Reichsleitung der FAUD dem Schlosser Emil Zehner in Erfurt zu übergeben. Er selbst flüchtet nach Amsterdam, wo der Anarchosyndikalist Albert de Jong sich um die deutschen Emigranten kümmerte. Auch das IAA-Sekretariat war 1933 von Berlin in die Niederlande verlegt worden, wobei den Nazis die gesamte Korrespondenz und das Archiv in die Hände gefallen war.

Im Herbst 1933 übernahm Ferdinand Götze von der Provinzialarbeiterbörse Sachsen die Aufgabe von Emil Zehner, später Richard Thiede aus Leipzig. In Westdeutschland tauchte Ferdinand Götze im Herbst `34 – bereits auf der Flucht vor der Gestapo – auf. Hier war zwischenzeitlich eine illegale FAUD-Gruppe mit Unterstützung niederländischer Genossen der NSV-IAA aufgebaut worden – ebenso existierte in Amsterdam eine eiligst gebildete FAUD-Auslandsabteilung.

Duisburg: FAUD-Emigrantenleitstelle und Agitationszentrum für Westdeutschland.

Bis zur „Machtergreifung“ war der Lehmformer Franz Bungert Leiter der Duisburger Föderation. Er wurde sofort ohne Verurteilung in das KZ Börgermoor eingeliefert und erst nach einem Jahr wieder freigelassen. Danach konnte er sich wegen der ständigen Kontrolle nicht mehr illegal betätigen. Sein „Nachfolger“ war Julius Nolden, arbeitsloser Metallarbeiter und Kassenobmann der PAB-Rheinland (umfasste das Gebiet von Köln, Düsseldorf bis Duisburg-Hamborn und von Aachen, Dülken, Krefeld, Mülheim bis Wuppertal). Die Gestapo nahm auch ihn fest, weil sie vermuteten, dass er über seine Grabrednertätigkeit für eine Feuerbestattungskasse illegale Verbindungen zu anderen FAUD-Mitgliedern unterhielt.

Im Juni 1933, kurz nach Noldens Entlassung aus der „Schutzhaft“, traf Karolus Heber von der illegalen Reichsleitung aus Erfurt ein, um mit Nolden über Fluchthilfen für gefährdete Freunde und über die Schaffung einer Widerstandsorganisation im Rhein- und Ruhrgebiet zu reden.

Nolden und seine GenossInnen bauten einen Fluchtweg auf (siehe Grafik) und verbreiteten antifaschistisches Propagandamaterial. Gerichtsnotorisch wurde festgestellt, dass die im Stile des Reichsnährstandes aufgemachte Schrift „Esset deutsche Früchte – und ihr bleibt gesund“ unter den Kumpels im Pütt so populär war, dass sie sich gegenseitig zuriefen: „Hast Du auch deutsche Früchte gegessen?“

Nachdem sich 1935 die Wirtschaftslage besserte, wurde es immer schwieriger, die illegale FAUD-Organisation zusammen zu halten.

Viele Genossen bekamen nach langer Erwerbslosigkeit wieder Arbeit und zogen sich vom aktiven Widerstand zurück. Der Gestapo-Terror tat ein übriges. Außerdem am aus Amsterdam ab 1935 kein Propagandamaterial mehr.

Der Ausbruch der Spanischen Revolution 1936 ließ die Bewegung in Deutschland wieder aufleben. Nolden verstärkte die Besuche in Duisburg, Düsseldorf und Köln, organisierte Zusammenkünfte und initiierte Geldsammlungen für die spanischen Genossen. Zur gleichen Zeit reiste Simon Wehren aus Aachen durch die PAB-Rheinland und versuchte, Techniker für den Einsatz in Spanien zu gewinnen.

Die Verhaftungen

Im Dezember 1936 gelang es der Gestapo durch einen eingeschleusten Spitzel, die Gruppen in Mönchengladbach, Dülken und Viersen hochzunehmen. Anfang 1937 verhaftete sie dann in kürzester Zeit in Duisburg, Düsseldorf und Köln 50 Anarchosyndikalisten, darunter auch Julius Nolden. Kurz darauf folgten weitere Verhaftungen, so dass durch die Gestapo insgesamt 89 Mitglieder der illegalen FAUD inhaftiert wurden.

Die Untersuchungen dauerten ein Jahr. Während dieser Zeit saßen 46 GenossInnen im Duisburger Gerichtsgefängnis ein, davon 22 Duisburger. Im Januar und Februar 1938 erfolgte ihre Verurteilung wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Nur sechs wurden mangels Beweisen freigesprochen, die übrigen erhielten Strafen von mehreren Monaten Gefängnis bis zu sechs Jahren Zuchthaus.

Julius Nolden kam in die Strafanstalt Lüttringhausen, wo er am 19.4.1945 von Alliierten befreit wurde. Pfingsten 1947 beteiligte er sich mit den anderen Überlebenden der Duisburger Gruppe an der Gründung der anarcho-syndikalistischen Föderation Freiheitlicher Sozialisten in Darmstadt.

Morde

In der Haft wurden Genossen ermordet. Aus Duisburg der Eisendreher Emil Mahnert, der nach Aussagen von vier Mithäftlingen am 26. Januar 1937 von einem Polizeischergen über das Innengeländer des zweiten Stocks heruntergestürzt wurde, sowie der Maurer Wilhelm Schmitz, der am 29. Januar 1944 an nicht näher bekannten Folgen in der Haft starb. Ernst Holtznagel fiel an der Front im berüchtigten Strafbataillon 999. Aus Mönchengladbach Michael Delissen, den die Gestapo schon im Dezember 1936 erschlagen hatte. Aus Düsseldorf wurde Anton Rosinke im Februar `37 umgebracht.

Der Düsseldorfer Anarchosyndikalist Ernst Binder schrieb im August 1946 rückblickend: „Zum geschlossenen Widerstand hatte es leider 1933 nicht gereicht, und so mussten die besten Kräfte der Arbeiterbewegung in einen hoffnungslosen Kleinkrieg verzettelt werden. Wenn aber die Arbeiterschaft aus den Erfahrungen die Lehre zieht, dass die geschlossene Abwehr zur rechten Zeit die weitaus ökonomischere Kräfteanwendung ist, dann sind diese Opfer wenigstens nicht sinnlos gewesen.“

Literatur:

Theissen/Walter/Wilhelms: Anarcho-Syndikalistischer Widerstand an Rhein und Ruhr, Meppen/Ems 1980

Bludau: Gestapo – geheim! Bonn-Bad Godesberg, 1973

Klan/Nelles: Es lebt noch eine Flamme, Grafenau 1987

Aus: „Direkte Aktion“, Nr. 678 (1988)

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