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Unser Abschied von Abel Paz (1921-2009)
"Denn je stärker das Selbstwertgefühl des Volkes
ist, desto schwächer wird die Macht des Staates."
Abel Paz wurde am 12. August 1921 im spanischen Almeria geboren. Er wuchs in
einer anarchistischen Familie auf und hatte so seit Kindesbeinen Verbindung mit
der anarcho-syndikalistischen Bewegung. In seiner Jugend gründete er zusammen
mit Genossen die Gruppe "Los Quijottes del Ideal" und nahm am sozialen Aufbau
während der spanischen Revolution teil. Die spätere Teilnahme an der Guerilla
1942 in Spanien brachte ihm eine 11-jährige Haftstrafe ein, die er mit
gesundheitlichen Schäden, aber geistig ungebrochen überstand.
Abel Paz vor dem Bremer Denkmal für die Kämpfer der Bremer Räterepublik mit
Genossinnen und Genossen im Sommer 2003
Wer schon einmal einer überwiegend von Studierenden besuchten Veranstaltung mit
dem Zeitzeugen der Spanischen Revolution, Abel Paz, beigewohnt hat, wird diese
möglicherweise enttäuscht wieder verlassen haben. Eingenebelt vom eigenen
Zigarrenqualm und auf einem Sessel gemütlich zurückgelehnt, lässt dieser kleine,
gebrechlich erscheinende über 80-jährige Mann kaum eine Gelegenheit aus, auf
Fragen zur revolutionären Geschichte Spaniens mal lakonisch, mal barsch zu
reagieren. Manchmal wirkt er geradezu griesgrämig. Er weiß es und spielt mit dem
Publikum, lässt es auflaufen. Die Spanische Revolution sei Vergangenheit,
unwichtig für heute. Auch bei Fragen zur Gegenwart gibt er sich eher
verschlossen.
Wer dort jedoch den Büchertisch aufsucht, wird feststellen können, dass Abel Paz
nicht nur als Biograph Durrutis sehr viel zu erzählen hat, sondern auch seine
eigenen Lebenserfahrungen in erkenntnisreichen Sätzen zusammenfassen kann. Hier
bietet sich ein Zugang zu ihm, der sich wirklich lohnt, nämlich nicht über
abgehobene Wissenschaft und vorgegebene Denkstrukturen, sondern über das Leben
als Mensch in seiner Gesamtheit. Wer ihn auf einer Veranstaltung genau
betrachtet, kann dies auch erkennen.
So beschrieb Helge Döhring ihn, der seinen Geburtsnamen „Diego Camacho“
beizeiten ablegte, erst kürzlich in einer Buchbesprechung. Zwei Teile seiner
Autobiographie sind bereits in deutscher Sprache erschienen, zwei weitere Teile,
auf die wir uns hier schon freuen, wird er nicht mehr erleben. Sie sind ein
Kernstück seines wahrhaft großen Vermächtnisses. Sein Wirken mag in diesen
seinen Sätzen am besten zur Geltung kommen: „Damals entstand ein
Solidaritätsgefühl, dass mit der Situation eines Hausbrandes in der
Nachbarschaft in einer Stadt vergleichbar ist. Das erste, was man tut, ist, die
Leute drinnen zu warnen, sie herauszuholen, irgendwie zu organisieren, dass da
keiner zu Schaden kommt. Egal, ob man den Nachbarn mag oder nicht. Man eilt zur
Hilfe. Oder wie es bei den Bauern ist, wenn Sturm aufkommt. Dann vereinen sich
alle Bauern und Bäuerinnen aus einem Dorf, um zu versuchen, sich so zu
organisieren, dass die Ernte nicht zu stark beschäftigt wird, dass sie ihre
Ernte retten können - egal, welche Streitigkeiten es zuvor gegeben hat. So ist
auch die Revolution. Leute, die sich vorher nicht kannten oder sich nicht
mochten, kämpften mit einem Mal gemeinsam für eine Sache. Und diese Solidarität
ist das wichtige an einer Revolution. (.) Die Differenzen unter den Leuten waren
verschwunden. Menschen, die sich nicht kannten, sprachen miteinander und
befragten sich gegenseitig. Das ist ein Phänomen der Revolution. Diese Dinge
habe ich zweimal in meinem Leben erlebt: am 19. Juli 1936 in Barcelona und im
Mai 1968 in Paris. Der Klassenunterschied verschwand. Es kam eine Freude auf,
endlich das Leben in die Hand nehmen zu können. Auch wenn man weiß, dass die
Macht, die einem gegenüber steht, wesentlich stärker und organisierter ist, ist
man sich in diesem Moment trotzdem sicher, dass man sie besiegen kann. Man geht
einfach ans Werk, weil man von sich selbst überzeugt ist."
Aus: Bernd Drücke u.a. (Hg.): Abel Paz und
die Spanische Revolution. Interviews und Vorträge.
http://www.edition-av.de/buecher/paz_spanien.htm
Wie u.a. in diesen Zeilen deutlich wird, war Abel Paz ein Historiker, der sich
nicht hat von unsinnigen bürgerlichen Konventionen bestimmen lassen. An deren
Stelle setzte er den klaren Menschenverstand und das freie Denken was er
jederzeit um wissenschaftliche Genauigkeit und Sorgfalt zu ergänzen in der Lage
war. Qualitäten, die freie HistorikerInnen auszeichnen. Als aktiver
Anarcho-Syndikalist blieb er zugleich beweglich im Kopf und selbstbewusst. So
konnte er als Mensch Dinge erklären, die dem reinen Wissenschaftler fremd sind.
Geschichte war für ihn kein Selbstzweck.
In Diskussionen pflegte er kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Seine
haarsträubend ehrliche Ausdrucksweise brachte dabei seine "political correctness"
gewohnten Zuhörer allzuhäufig zum Verzweifeln. Bei einer Veranstaltung hielt ihm
ein Zuhörer vor, dass in einer anarchistischen Gesellschaft vielleicht der
Nahverkehr nicht funktionieren könnte. Als die Ergänzung folgte, dass er, der
Zuhörer, dann wohl auch zu solch einer Veranstaltung zu spät kommen könnte,
erwiderte Abel Paz lapidar: "Meinst du, dich würde jemand vermissen?"
Wir werden jedenfalls diese Geradlinigkeit vermissen. Abel Paz, dessen Bücher in
unseren Köpfen und Herzen Eingang finden, starb am 13. April 2009 in Barcelona.
Abel Paz, Diego, wir grüßen dich!
Die Aktiven von:
www.syndikalismusforschung.info
Über den Menschen Abel Paz können wir nur wenig, bzw. das erzählen, was er
selber aufzeichnete. Schaut deshalb auf diese Besprechungen hier.
http://www.syndikalismusforschung.info/pazdon.htm
http://www.syndikalismusforschung.info/pazfeigen.htm
Seine Autobiographien erscheinen beim Verlag Edition AV,
www.edition-av.de
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